Fromme Spekulanten

Eine Clique von islamistischen Managern hat die Wirtschaft des Sudan fest im Griff  ■ Aus Khartum Karim El-Gawhary

Auch Islamisten machen „big business“. Einer von ihnen ist Adel Rahim Hamdi, der ehemalige Finanzminister des Sudan. Er ist ein Lehrbeispiel dafür, wie man auch in einem völlig verarmten Land seine Schäfchen ins Trockene bringen kann. Als Mitglied der regierenden „Islamischen Front“ (NIF) sitzt er an der Quelle – und die scheint recht einträglich zu sein.

Zu seiner Amtszeit zuständig für ein ehrgeiziges Privatisierungsprogramm, pflegt er seit wenigen Monaten sein neustes Projekt: die sudanesische Börse. Nachdem er den Chef der Islamischen Front, Hassan Turabi, von der Notwendigkeit eines islamischen Wertpapiermarktes überzeugt hatte, ging der erste Direktor der neuen Khartumer Börse zu Beginn des Jahres frisch ans Werk.

Noch wirkt der Betrieb etwas müde: Täglich ist er nur eine Stunde geöffnet, ganze 29 Firmen sind beteiligt. Der tägliche Umsatz liegt im Schnitt unter 3.000 Dollar, die meisten Transaktionen übersteigen den Wert von 10 Dollar nicht. Und die Provisonen der Makler liegen im Pfennigbereich. Der Sudan ist schließlich nicht gerade das, was man eine blühende Wirtschaft nennt. Die seit fünf Jahren regierenden Islamisten haben es nicht geschafft, die Wirtschaft des eigentlich potenten Landes anzukurbeln.

Im Gegenteil: Aufgrund der politischen Isolation des Landes fehlt es fast an allem, ganz besonders an harter Währung und Entwicklungshilfe. Früher hatte die Hilfe von außen mehr als die Hälfte des staatlichen Budgets ausgemacht. Heute ist sie fast vollständig gestoppt, nachdem die Berichte über massive Menschenrechtsverletzungen nicht abrissen. Die USA hat den Sudan zudem noch auf die Liste derjenigen Länder gesetzt, die angeblich den internationalen Terrorismus unterstützen – die Isolation war perfekt.

Der Sudan gehört auch zu den schwarzen Schafen beim Internationalen Währungsfonds. Vor fünf Jahren erklärte der IWF das Land als „unkooperativ“ – ein Stadium kurz vor dem Rausschmiß. Damit ist es für die Regierung in Khartum schwierig geworden, überhaupt noch irgendwo Kredite aufzunehmen. Die Auslandsschulden liegen derzeit bei über 16 Milliarden Dollar, und ein Schuldenerlaß steht aufgrund der politischen Situation nicht in Aussicht.

Währenddessen galoppiert die Inflation. Mitte letzten Jahres erreichte sie mit 130 Prozent ihren vorläufigen Höhepunkt. Der erst neu eingeführte Sudanesische Dinar hat innerhalb von einem halben Jahr fast die Hälfte seines Wertes verloren. Der größte Schein ist heute nur noch zwei Dollar wert, und für größere Anschaffungen werden Koffer von Geld benötigt. „Wir haben aufgehört, das Geld zu zählen“, sagt ein sudanesischer Geschäftsmann. Das lohne die Zeit und den Aufwand nicht, auch wenn am Ende ein paar Banknoten fehlen.

Aussicht auf Besserung gibt es kaum, vor allem solange der seit zwölf Jahren andauernde Bürgerkrieg die Ressourcen des Landes verbraucht. Die Statistiken über die Kosten des Krieges schwanken erheblich. Bis zu zwei Millionen Dollar täglich, schätzen die Gegner des Regimes, kosten die immer wiederkehrenden Offensiven im Süden. Der jetzige Finanzminister spricht dagegen davon, daß die Ausgaben für den Krieg weit unter dem jährlichen Gesamtbudget von 600 Millionen Dollar liegen. Doch der Krieg kostet nicht nur, er verhindert auch die Ausbeutung der reichlich vorhandenen Öl- und Wasserquellen im Süden, die durch den Krieg unzugänglich geworden sind.

Börsenchef Hamdi weiß sich trotzdem zu helfen. Ein Teil der Islamischen Front, vor allem jüngere Islamisten, bezichtigen den Finanzfachmann und eine Clique anderer Geschäftsleute innerhalb der Islamischen Front massiver illegaler Geschäfte. In einem internen Bericht der Front listen sie detailliert Hamdis Geschäftspraktiken auf: Er und seine Freunde in der NIF sollen mit ihrem Privatisierungsprogramm hauptsächlich in die eigenen Taschen gewirtschaftet haben. Auch die leicht überschaubare Börse soll sich dabei bewährt haben.

Daneben soll Hamdi den Markt für Gummi Arabicum, neben Baumwolle und Erdnüssen eines der wichtigsten Exportprodukte des Landes, monopolisiert haben. Weit über die Hälfte der weltweiten Produktion dieses Akazienharzes, das als Emulgator in der pharmazeutischen, kosmetischen, der Lebensmittel- und Textilindustrie verwendet wird, stammt aus dem Sudan.

Sowohl die sudanesische Exportfirma als auch eine Londoner Importfirma, die sich auf das Harz spezialisiert hat, sollen inzwischen von Hamdi und seinen Freunden kontrolliert werden. Verkäufer und Käufer in einem, bestimmen sie den Preis zum Schaden des sudanesischen Exportes, der das Harz unter Wert an Hamdis befreundete Firma in London verkauft.

Bisher waren die Kritiker der islamistischen Geschäftemacher innerhalb der NIF nicht sonderlich erfolgreich. Hamdis persönlicher Kontakt zum Chef der NIF, Hassan Turabi, macht ihn diesen Vorwürfen gegenüber immun. Erst letztes Jahr wurde die Zeitschrift Al-Sudani geschlossen, als sie den Sohn Turabis verdächtigte, den Zuckerhandel zu monopolisieren und in illegale Währungsgeschäfte verwickelt zu sein. Er macht ebenso weiter seine Geschäfte wie Osman Khaled, eine andere NIF- Schlüsselfigur, der den gesamten sudanesischen Lederhandel in seinen Händen hält.

Die Gewinner des islamistischen Privatisierungsprogrammes scheinen fest im Sattel zu sitzen. Selbst Diskussionen in dem von den Islamisten ernannten Parlament scheinen ihnen bisher nichts angetan zu haben. Diejenigen, die dort zu laut gegen die islamistische Geschäftsmafia gewettert haben, munkelt man in Khartum, sind inzwischen von ihren Parlamentssitzen entfernt worden.