Eine Klasse für sich

■ Die 14jährige Schweizerin Martina Hingis reiht sich in die Martìnez-Opfer ein Von Folke Havekost

Am Ende wurde rumgekaspert. Patricia Tarabini pfefferte ihre Schläger in der Gegend herum und lieh sich für die letzten Ballwechsel kurzerhand ein Racket aus dem Vorrat der verdutzten Martina Hingis: Gelächter auf den Rängen – beim Doppel-Finale war Show angesagt. Der hohe Unterhaltungswert ist neben der Tradition einziges Faustpfand des aufwendigen Wettbewerbs, um bei Turnieren noch ein Schattendasein fristen zu dürfen.

Am Rothenbaum stimmte die Vierer-Endspiel-Kombination: Die argentinisch-spanische Allianz der Show-Expertin Tarabini mit der überlegenen Einzelsiegerin Conchita Martìnez gegen die routinierte US-Amerikanerin Gigi Fernandez und den 14jährigen Publikumsliebling Hingis. Den letzten Punkt machte der Nachwuchsstar mit einem Volley zum 6:2, 6:3-Erfolg von Fernandez/Hingis. Zur Gram taugte das nicht – das hispanische Duo alberte sich anschließend durch die Ehrungen.

Derartige Ausgelassenheit blieb rar. Zwar bedankte sich Turnierdirektor Günter Sanders artig bei den knapp 51.000 ZuschauerInnen, die an den sieben Tagen gekommen waren, 3.000 weniger als im Vorjahr. Auch am Finaltag war der Centre Court mit 8.800 ZuschauerInnen bei 10.500 Plätzen nicht ausgelastet.

Vielleicht lag es daran, daß nach dem sonnabendlichen Aus von Anke Huber gegen Hingis (2:6, 6:1 und 3:6) erstmals seit Jahren keine deutsche Spielerin im Finale vertreten war. Und bei aller Sympathie für die helvetische Newcomerin – einen Erfolg gegen Martìnez, die der Bulgarin Magdalena Maleeva in der Vorschlußrunde mit 6:0, 6:0 die „Höchststrafe“ verpaßt hatte, traute ihr kaum jemand zu.

Tatsächlich – nach nur 49 Minuten war alles vorbei, und Martìnez hatte mit dem 6:1, 6:0 ihren Score seit dem Viertelfinale auf 36:2 Spiele ausgebaut – eine Klasse für sich. Gut, daß es das Doppel gab, in dem Hingis Talent, Spielintelligenz und Ballgefühl wirkungsvoll zur Geltung bringen konnte. Bei der Siegerehrung zeigte sie sich noch unvereinnahmt vom Zeremoniell, als sie das Spalier der Gratulanten im ersten Versuch nur zur Hälfte abschritt.

In dieser Woche sind zunächst die Männer dran. Nach der kurzfristigen Absage von Thomas Muster stehen „nur“ noch acht Top Ten-Spieler im 56er-Feld. Heute finden die Erstrunden-Spiele Goellner – Haarhuis und Rosset – Volkov statt.