Interview
: Jenseits von „russischer Kunst“

■ Gespräch mit German Vinogradov, zur Zeit zu Gast im Bremer „Lichthaus“

taz: Vor ein paar Jahren mußten Sie ihre Performances noch im eigenen Wohnzimmer aufführen, selbst das Badezimmer haben Sie als Bühne mitbenutzt. Jetzt haben Sie eine riesige Halle zur Verfügung. Wie verändert sich Ihre Arbeit durch diesen neuen Kontext?

German Vinogradov: Man kann natürlich nicht dieselben Gegenstände verwenden. Ich habe zwar schon früher mit Feuer gearbeitet...

In Ihrer Wohnung?

Ja, ja; ich gehe eben sehr vorsichtig damit um. Aber die Arbeiten verändern sich natürlich. Denn jedesmal schaffe ich einen neuen Raum. Hier habe ich mit Materialien aus der Umgebung gearbeitet, mit alten Steinen, Holz,...

...sogar eine Badewanne gibt es, wie in Ihrer Wohnung.

Mit der Badewanne, das ist nicht nur eine lustige Zutat. Vor ein paar Jahren haben ich meine Mutter tot über der Badewanne liegend aufgefunden. Sie wusch ihre Wäsche und ist dabei ertrunken. Sie war eine außergewöhnlich schöne Frau. Und eine gute Performance-Künstlöerin. Aber das hat Sie nur für mich gemacht. Ich zeige diese Dinge nun in der Öffentlichkeit.

Hat das starke Interesse des westlichen Kunstmarktes Ihre Arbeit verändert?

In meiner Kunst hat sich dadurch gar nichts verändert. Aber andere, einige Maler zum Beispiel, orientieren sich sehr stark am Westen. Eine Menge neuer Galerien in Moskau hat Kontakte zu Galerien im Westen. Aber meine Aktionen haben eigentlich keine echte Berührung mit dem Kunstmarkt. Ich stehe da sehr am Rande.

Unter dem Titel „Ostkunst“ erwartet das westliche Publikum einen spezifischen Stil. Gibt es etwas besonders Russisches in Ihrer Kunst?

Ich glaube, so etwas gibt es bei mir nicht. Die Bestandteile meiner Performances haben vor allem eine direkte Verbindung zu meiner Person, zu meinem Leben. Sie erzählen über meinen Lebensweg und meine eigene Geschichte. Durch diese kann ich natürlich, wenn ich aufrichtig bin, auch einige universelle Geschichten erzählen. Aber nicht, um die russische Seele auszudrücken oder sowas. Daran bin ich nicht interessiert.

Macht eine Ausstellung über „russische Kunst“ dann noch einen Sinn?

Nein, das hat sich sehr stark verändert. Heute stellt man nicht mehr so sehr „russische Kunst“ aus, sondern einzelne Künstler. Kabakov, Prigov – diese Namen sind jetzt ein Begriff auf dem westlichen Kunstmarkt, weil man weiß, daß sie einfach gute Künstler sind und nicht, weil sie Russen sind. Als ich zum ersten Mal im Westen ausstellte – das war in Graz –, haben sich die Leute vor allem deshalb für mich interessiert, weil sie einfach noch nie einen echten Russen gesehen hatten. Da wollten sie immer gleich mit mir trinken. Sie dachten wohl, in Rußland ist das so.

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