■ Interview mit der Ex-DDR-Sängerin Veronika Fischer
: „Der nationale Markt ist dünn“

Die Jazzrock- und Schlagersängerin Veronika Fischer (44), die 1981 aus der DDR in den Westen ging, hat gerade ihre neue CD „Träumer“ samt einer Neuversion des DDR-Hits „Auf der Wiese“ vorgelegt. Begleitet wird sie von Musikern der Combo „Stern Meißen“.

taz: Welche Ausbildung haben Sie in der DDR erhalten?

Veronika Fischer: Ich hatte als Kind Gitarren- und Klavierunterricht. Später habe ich an verschiedenen Wettbewerben teilgenommen, das war in der DDR so üblich. Von 1968 bis 1973 habe ich dann mit mittlerer Reife an der Musikhochschule in Dresden studiert, wobei ich dort die Abiturleistungen noch erbringen mußte. Nebenbei habe ich in Bands gesungen, was aber nicht gut lief – das hing mit der anfänglichen klassischen Gesangsausbildung zusammen, da mußte ich mit meiner tiefen Altstimme Arien singen. Aber meine Liebe galt damals schon Gospels und Soul, Aretha Franklin und Otis Redding. Ich bin dann zu den Bands „Stern Meißen“ und „Panta Rei“, einer der führenden Jazzrockbands in der ehemaligen DDR, gegangen. 1974, nach meinem Hochschulabschluß, habe ich meine eigene Band gegründet.

Wurde das staatlich gelenkt?

Wenn staatliche Behörden auf ein Talent aufmerksam wurden, wurde auch gelenkt, was man aber als Hilfe empfand. Man bekam aber nichts geschenkt, sondern mußte eben ein Studium mit den dementsprechenden Prüfungen vor einer Kommission ablegen. Natürlich waren Positionen an den Hochschulen mit Stasi-Leuten besetzt, die ja auf beruflichem Gebiet auch Kapazitäten waren.

Die Gesangsausbildung der DDR gilt als sehr gut, bekannt etwa durch Nina Hagen. Wie bewerten Sie das im Vergleich Ost-West?

Im Westen kann ich das nur als Außenstehende beurteilen. Da habe ich mitbekommen, daß kein Interesse daran besteht, in modernen Musikrichtungen auszubilden, außer vielleicht in den letzten Jahren in der Sparte Musical. Das kommt mir oft konservativ vor im Gegensatz zur DDR, wo eine Bereitschaft vorhanden war, sich auch innerhalb der Ausbildungen der modernen Musik zu öffnen. Das ging über Jazz, Rockmusik und Chanson. Es ging vor allem darum, gute Sänger auszubilden.

Sie hatten auch Möglichkeiten, im Westen aufzutreten?

Bedingt. Ich habe nur zwei Tourneen gemacht, bei denen ich meinen Mann und später mein Kind als Pfand zurücklassen mußte.

Haben Sie sich dabei als Exportmittel gesehen, um den Staat zu repräsentieren?

Ja, natürlich, das war es ja auch, ob man wollte oder nicht. Und den Fragen der Westjournalisten mußte man größtenteils aus dem Wege gehen, da konnte man nicht so, wie man gerne wollte – die Westmedien waren meistens zu unsensibel, das zu begreifen. Ich hatte dabei ja auch die Verantwortung den Kollegen gegenüber, die um mich waren. Dieser politische Seilakt, dieses Politikum, das man war, ohne es zu wollen, war zweischneidig und unerträglich.

Ihre Lieder waren doch eigentlich nicht sehr politisch, das waren eher Alltagsbeschreibungen?

Menschen, die im Westen aufgewachsen waren, konnten das, was zwischen den Zeilen transportiert wurde, nicht heraushören. Wir haben auf unsere Art und Weise Politik gemacht: „Blues von der letzten Gelegenheit“ war ein absoluter Freiheitssong, das haben die DDR-Menschen auch ganz genau so verstanden. Oder auch „Kinder des Sonntags“, was sich gegen das Spießbürgertum in der DDR richtete.

1981 sind Sie in West-Berlin geblieben. Wie beurteilen Sie Ihren westlichen Werdegang?

In der DDR war alles viel überschaubarer. Es gab eine zentrale Lenkung. Hauptgrund dafür war eine politische Beeinflussung der Jugend nach den ideologischen Vorstellungen der DDR-Regierung. Die Regierung hatte ja den Überblick: Es gab die vier Musikschulen Berlin, Dresden, Weimar, Leipzig; es gab bekannte Bands wie „Panta Rei“, auf die die Jugend stand. Und die Regierung versuchte, diese für sich zu gewinnen, indem sie beispielsweise auch Stasi-Leute innerhalb der Bands unterbrachte. Natürlich gab es viele Künstler, die sich dagegen gesträubt haben, aber die Stasi-Leute wurden ja richtig eingeschleust. Ich denke, in meiner Band gab es niemanden von der Stasi, vielleicht dann bei „Pankow“, meiner späteren Begleitband.

Im Westteil gab es diese Form von Zentralismus nicht, da gab es nur die angloamerikanisch orientierte Musikindustrie. Da ging es mir darum, in diese Musikindustrie zu kommen, damit ich auf dem Musikmarkt präsent bin.

Um mal Vor- und Nachteile abzuwägen: In der DDR konnten sich Leute im Kleinen kreativ bis zu einer gewissen Grenze niveauvoller entwickeln, im Westen mußte man einfach marktfreundlich sein, dem Markt folgen, und das ist auch eine Form von Diktatur. Hier ist alles sehr hit- und chartsabhängig. Was hier eher fehlt, ist die Bereitschaft des Musikmarktes, auf lange Sicht Künstler aufzubauen. Andererseits hat man die Freiheit, wenn man dementsprechende Unterstützung erfährt, wie ich von meiner Firma, mit sehr reizvollen und tollen Künstlern zusammenzuarbeiten.

Wie sieht es heute mit der Talentförderung aus, die es in der DDR ja gab, zum Beispiel durch Nachwuchswettbewerbe?

Die Musikindustrie pickt sich ab und an ein junges Talent heraus, das oft viel zu früh vermarktet wird. Wer zwischen den Kategorien internationaler Rock und reinem Schlager sitzt, wird meistens nicht gespielt. Es fehlen außerdem Live-Möglichkeiten, wo sich junge Leute ausprobieren und entwickeln können.

Woran liegt es, daß viele DDR- Künstler nach der Wende nicht mehr Fuß fassen konnten?

Der Westen hat nur wenige oder kleine Bezüge zur ehemaligen DDR-Musik, da gibt es keine Verbindungen. Ein System, ein Netz, um diese Künstler zu präsentieren, vergleichbar mit dem der ehemaligen DDR, fehlt hier. Wenn man hier erfolgreich arbeiten will, braucht man connections, den Mumm, die Industrie zu bitten, mit einem zu arbeiten, zu promoten. Dazu sind viele nicht in der Lage.

Liegt es nicht auch daran, daß der Markt auch ohne die DDR- Künstler bereits gesättigt ist?

Das kommt hinzu. Es gibt nur einen dünnen nationalen Markt. Auch ist der Gesamtgeschmack ein ganz anderer, als in der ehemaligen DDR. Diesen anderen Geschmack kann und will auch nicht jeder transportieren.

Ist das alles nun trotzdem für Sie positiv?

Ja. Die Vereinigung hat trotz aller Schwierigkeiten enorme Vorteile mit sich gebracht, was oftmals leider vergessen wird. Ich war nach meinem Wechsel in den Westen sehr zerrissen und mußte mein Inneres erst einmal wieder ordnen. Ich kenne nun beide Seiten, und der Vorteil darin besteht, das alles miteinander in Hinblick auf eine fruchtbare Arbeit verbinden zu können. Interview: Eckhard Pasewald

und Uwe Brandt