Nicht das Programm, sondern die Show gewinnt

■ Auf den Philippinen wurden gestern über 17.000 PolitikerInnen gewählt

Manila (taz) – Montag früh kurz nach Sonnenaufgang in der philippinischen Hauptstadt Metro- Manila: In einer Turnhalle des Stadtteils Mandaluyong werden Wahlurnen, Stimmzettel und kleine Pappen verteilt, die später als Miniaturwahlkabine dienen sollen. Um sieben Uhr öffnen die Wahllokale. Soldaten hängen übernächtigt auf der Tribüne, das Gewehr immer griffbereit. Seit Tagen sind sie in höchster Alarmbereitschaft. Draußen warten Motorradrikschas, um die WahlleiterInnen in die Abstimmungslokale zu bringen. Eine Urne zwischen die Knie geklemmt, eine zweite in der Hand. Noch einmal kurz bekreuzigt, dann wird schon alles gut am Ziel ankommen. Von scharfen Sicherheitsvorkehrungen ist hier nichts zu spüren.

Die Hälfte der 24 Sitze im Senat, alle 204 Mandate im Repräsentantenhaus und mehr als 17.000 kommunale Abgeordnete standen gestern in der Inselrepublik zur Wahl. Aufgrund der komplizierten Auszählungsweise wird mit Ergebnissen erst in einigen Tagen gerechnet. Präsident Fidel Ramos, dessen Amtszeit bis 1998 geht, hat die Wahl als Referendum über seine Politik bezeichnet.

Zu Beginn des Wahlkampfes konnte seine Regierungskoalition noch mit einer großen Mehrheit rechnen, schließlich geht es mit der Wirtschaft unter Ramos aufwärts: Im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft offiziellen Daten zufolge um 5,1 Prozent, die Exporte stiegen um 20 Prozent, ausländische Investoren kommen wieder auf die Philippinen. Zugute kommt diese Entwicklung aber nur einer kleinen Schicht. Immer noch lebt mehr als die Hälfte der 67-Millionen-Bevölkerung in absoluter Armut, von den Geldüberweisungen der über drei Millionen ArbeitsemigrantInnen leben ganze Regionen.

Nach der Hinrichtung der philippinischen Hausangestellten Flor Contemplacion in Singapur ist die Ramos begünstigende Stimmung jedoch umgeschlagen. Die Opposition hat den Fall geschickt genutzt. „Remember Flor“ wurde zum Slogan der wichtigsten gegnerischen Partei, der National People's Coalition. Ernesto Maceda, Chef der NPC und zugleich Senator, gibt zu, daß die Hinrichtung seiner Partei genutzt hat, denn zuvor fehlten im Wahlkampf griffige Themen.

Zur Debatte stehen hier keine unterschiedlichen Parteiprogramme, sondern einzelne PolitikerInnen. Diese suchen sich eine Partei, um mit ihr in den Wahlkampf zu ziehen. Wahlkampfveranstaltungen sind publicity shows: Bei der Abschlußkundgebung der regierenden Lakas-Laban-Koalition dröhnte unter Luftballons und dem Geruch massenhaft gegrillten Fischs Musik, während die Politiker ihre Reden hielten.

Verwandtschaftsbeziehungen und langjährige Freundschaften scheinen auf den Philippinen die beste Garantie für eine politische Karriere – und ein politisches Amt bedeutet Zugriff auf sichere Pfründen. Ramos' Neffe, die Schwester des Senatspräsidenten, Ex-Präsidentin Corazon Aquinos Bruder und dessen Ehefrau: sie alle gehören zum Kandidatenkarussell. Von verbreitetem Stimmenkauf der Parteien ist hier viel die Rede.

Über 50 Menschen kamen im Wahlkampf und am Wahltag ums Leben. Die Gewalt sei im Vergleich zu den Vorjahren doch recht harmlos, meint ein philippinischer Journalist schulterzuckend. Kein Grund zur Aufregung. Claudia Buckenmaier