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Keine Erhöhung des Drogenkonsums

■ Hans-Peter Seitz (SPD), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, will sich für Spritzenvergabe in Haftanstalten einsetzen / Besuch in Schweizer Frauengefängnis brachte positive Erfahrungen / Berlin...

GesundheitspolitikerInnen des Abgeordnetenhauses hatten in der vergangenen Woche die Gelegenheit, sich gemeinsam mit Justizsenatorin Peschel-Gutzeit (SPD) in der Schweizer Frauenhaftanstalt in Hindelbank über Erfahrungen mit der Vergabe von Einwegspritzen zu informieren.

taz: Herr Seitz, wie bewerten Sie nach dem Besuch das Pilotprojekt? Haben Sie etwas Neues erfahren?

Hans-Peter Seitz: Insgesamt habe ich einen absolut positiven Eindruck. Die Gegenargumente sind hier die gleichen wie in Berlin gewesen. Das Personal der Haftanstalt hatte Schwierigkeiten, zu akzeptieren, daß Spritzen ausgegeben werden, denn andererseits dürfen sie Drogenkonsum nicht dulden. Sie fragten sich, was passiert, wenn sie sehen, daß sich eine Frau eine Spritze aus dem Automaten holt.

Das ist so gelöst worden, daß die Spritzenautomaten nicht einsehbar sind. Sie sind beispielsweise in einer Dusche in einem Schrank untergebracht. Dort sind die Frauen allein und können sich beim Duschen eine Spritze ziehen. Eine neue Spritze erhalten sie nur, wenn sie eine alte einwerfen. Jede neue Insassin bekam auf Wunsch eine Spritzenattrappe, für die sie eine richtige Spritze ziehen konnte. Damit konnten die Bedenken des Personals schnell ausgeräumt werden.

Die zweite Schwierigkeit war, daß es auch Akzeptanzprobleme bei den Häftlingen gab. Es gab Frauen, die nicht drogensüchtig waren und die befürchteten, in eine drogengeprägte Umgebung zu kommen. Nach den Erfahrungen der ersten zehn Monate konnte auch dieses Problem gelöst werden.

Wie hat sich die Spritzenvergabe auf den Drogenkonsum ausgewirkt?

Eine Erhöhung des Drogenkonsums war nicht feststellbar. Der Gesundheitsdienst der Haftanstalt hat unabhängig vom Pilotprojekt weiter Urinkontrollen durchgeführt. Es wurde nach Beginn der Spritzenausgabe auch keine Übertragung von Hepatis B und C oder dem HI-Virus mehr festgestellt.

Es geht aber nicht nur darum, Spritzen auszugeben, sondern dies wird mit psycho-sozialen Maßnahmen, mit Aufklärung über HIV- Infektion und über Sucht verbunden.

Die Justizsenatorin befürchtet, daß die Spritzen als Waffe gegen das Personal eingesetzt werden könnten.

Das ist in Hindelbank nicht vorgekommen. Die Insassen dürfen sich beim Gebrauch der Spritze nicht ertappen lassen. Das führt dazu, daß sie sie vor dem Wachpersonal verbergen.

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Besuch? Befürworten Sie ein solches Pilotprojekt für Berlin?

Wir sollten die Begleitstudie abwarten, die im November vorliegen wird. Wir müssen realistisch sein. Bis zum Ende der Legislaturperiode ist sowieso nichts mehr zu machen. Aber ich werde mich dafür einsetzen, daß das im künftigen Regierungshandeln, und sei es in einem Koalitionspapier, enthalten ist.

Die begleitende Untersuchung ist aber jetzt schon weitgehend abgeschlossen. Das Ergebnis ist, wie Sie sagen, positiv. Traut sich die SPD nicht, kurz vor den Abgeordnetenhauswahlen ein so heikles Thema anzupacken?

Ja und nein. Wir haben gefragt, ob es ein Problem gibt, das Projekt auf Männeranstalten zu übertragen. Die Projektmitarbeiter haben in aller Ehrlichkeit gesagt, das glauben sie nicht, sie können es aber nicht hundertprozentig ausschließen. Es muß überlegt werden, wie man das in einer Berliner Anstalt zunächst einmal modellartig umsetzen kann. Es bedarf der intensiven Vorbereitung. Das ist in einem halben Jahr nicht zu schaffen. Nach der Erfahrung des Schweizer Projekts braucht man vom „grünen Licht“ bis zur Umsetzung ein bis zwei Jahre. Interview: Dorothee Winden

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