Erst iah!, nun haha!

■ Jetzt hat auch Hamburg sein Ballungsraum-TV "HH 1"

Nur kleine lokale Fenster würden von den Lokalprogrammen am Ende übrigbleiben, ahnte der Direktor der Berlin-Brandenburger Medienanstalt, Hans Hege, vergangenen Sommer. Bei dem pompös als „Heimatfernsehen“ gestarteten Eselssender „IA Berlin“ befahlen da nämlich gerade die US-Geldgeber, den (kosten)intensiven Bildschirmblick auf den heimischen Ballungsraum rigoros einzuschränken, um billigeren TV- Konserven und Spielshows Raum zu schaffen. Auch beim Münchner „tv weißblau“ und dem Nürnberger „Franken-Fernsehen“ deuteten sich ähnliche Trends an.

Seit einer Woche demonstriert nun in Hamburg ein neuer Sender namens „HH1“, daß Hege sich getäuscht haben könnte: Vom „Übrigbleiben“ lokaler Fenster kann hier gar keine Rede sein. Denn dem „ersten privaten Vollprogramm aus Hamburg“ („HH1“ über „HH1“) wurden von vorneherein nur winzige lokale Sehschlitze eingeritzt.

„Hamburg-News“ in zwei Minuten

Den Löwenanteil der 18 täglichen Sendestunden belegt „HH1“ gnadenlos mit Altbekanntem aus dem Recyclinghof der RTL-Mutter CLT – oft sogar gleich zweimal täglich: Comics wie „Darkwing Duck“ oder „Micky und Donald“, Serien-Saurier wie „Solo für U.N.C.L.E.“ oder „Der Chef“. Dazu verschimmelte US-Spielfilmware und abgelegte RTL-Klamotten wie Hella von Sinnens „Alles nichts, oder?“ und die „Dirk- Bach-Show“.

„Hamburg-News“ gibt's nur als Zwei-Minuten-Päckchen. Sie sind vorzugsweise gefüllt mit Meldungen der Kategorie „Feuer, Unfall, bombenverdächtige Fundsachen“ und werden unverdrossen zu denselben tonlos abgekurbelten Bildsequenzen täglich ein dutzendmal verlesen. Die Hälfte davon kehrt auch noch am nächsten Tag in den drei bescheiden bewirtschafteten „Infotainment“-Versuchsflächen wieder. Deren weiteste, blumig „Frühcafé“ genannt, dehnt sich immerhin über zweieinviertel Morgen-Stunden: Zwei Minuten „Hamburg-News“ werden da geboten, kurze Einspielungen allgemeiner Nachrichten, Verkehrsbilder, Texteinblendung von Börsenkursen und Horoskopen. Die Wettervorhersage kommt vom Redaktionsbalkon, ein paar Meldungen der Abteilung „Vermischtes“ – vorzugsweise aus Springer-Zeitungen – werden als „Presseschau“ verbrämt. Einige Kulturtips wollen ein bißchen „Szene“-Flair simulieren, und ein langatmiges Studiogespräch etwa über das taufrische Thema gehäufter Eheschließungen im Wonnemonat Mai will die Hamburger Jungfern beglücken.

Für sein A und O scheint „HH1“ ein knappes Dutzend Standkameras zu halten, die – von Großunternehmen gesponsert – auf einigen hohen Gebäuden in der Stadt und an ein paar großen Verkehrsadern montiert sind. Sie liefern dem „Verkehrsfernsehen“ stumme, meist smoggetrübte, aber mit dem Etikett „live“ geadelte Telebilder von Alster, Hafen, Häusern und Autos. Je nach Bedarf füllen die düsteren Impressionen aus der Hansestadt aber auch mal kommentarlos fehlende Programminuten und die noch dünnbesiedelten Werbeinseln. Oder sie dienen, als „Zoom City“ gehandelt, den ZuschauerInnen für ein Tele-Ratespielchen.

Das Light-Konzept bald im Otto-Versand?

Das Konzept am Ballungsraum-TV light stammt von dem aufstrebenden Medienunternehmer Frank Otto, Mitbesitzer diverser Privatradiosender und Anteilseigner von Viva 1 und 2. An „HH1“ hält Otto, der als Sproß des gleichnamigen Versandhauskonzerns auf beträchtliche Eigenmittel zugreifen kann, selbst 24 Prozent. Mit zwei Prozent hat er seinen Geschäftsführer und Vertrauten Ingo Borsum belohnt, weitere zwei Prozent laufen auf den ihm ebenfalls schon länger verbundenen Werner E. Klatten, der einst Vorstandsvorsitzender des Zigarettendrehers Brinkmann, dann Sat.1-Chef war und nun dem Spiegel die Geschäfte führt. Ottos weitere „HH1“- Mitspieler: der Springer-Verlag (24 Prozent), der auch den „HH1“- Teletext produziert, die Deutsche Fernsehagentur DFA (24 Prozent), von der überregionale Nachrichtenclips ins Programm gestreut werden, sowie der weltweit größte Medienmulti Time Warner (24 Prozent), der unter anderem nicht nur am Berliner „IA“ beteiligt ist, sondern auch zu Ottos Partnern bei den beiden „Vivas“ zählt.

Mit der „HH1“-Masche würde Otto liebend gern auch andernorts ins Ballungsraumgeschäft kommen, in Stuttgart etwa, in Berlin und in Nordrhein-Westfalen – um dann alle die nach demselben Muster gestopften Patchworkprogramme zu einem optimalen Großverbund zu vernetzen. Auch für Ottos große US-Geschäftsfreunde Time Warner und Disney wäre das eine ersprießliche Konstruktion. Allerdings ist noch nicht raus, ob sich die Fernsehgucker weiterhin so brav mit dem immergleichen kalten Kaffee abfüllen lassen. Ulla Küspert