■ 2000 Anschläge – Der Gastkommentar
: Potenznummer

Offensichtliche Dummheiten wiederholt selbst in Bremen keiner. Und es wäre eine Riesendummheit, das alte Ressort Bildung, Wissenschaft und Kunst wiederherzustellen (vgl. H.W. Frankes Gastkommentar „Kastratennummer“, taz vom 9.5.). Wenn in Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg ein eigenes Kulturressort existiert, spricht keiner von Mikro-, Puppenstuben- und Stummelressorts – warum muß Mann bei Größe sofort an Potenz bzw. Kastrierung denken? Es muß nicht alles so bleiben wie es früher war, so schön war's nun auch wieder nicht. Im Mammutressort BiWiKu kam Kultur kaum vor, und ist es mit Sicherheit Helga Trüpel zu verdanken, daß Kultur wieder ein Thema in der Stadt ist und Ausländerintegration überhaupt ins Bewußtsein rückte. Die Abtrennung der Kultur von Wissenschaft war ja eher ein Koalitionsgeschenk an Henning Scherf und kein Wunsch vom Kulturrat oder von Trüpel.

Geschätzter Thomas Franke, warum willst Du dem Henning Scherf wieder eine Arbeit auf's Auge drücken, unter der er und wir gelitten haben? Wenn Du das Fell schon verteilst, bevor es erjagt ist, sollte man über inhaltliche Ressortzuschnitte nachdenken, wie Bildung/Jugend oder Wirtschaft/Kultur oder Häfen/Wirtschaft oder Kultur/Wissenschaft/Ausländerintegration und – hier als Erweiterung: Weiterbildung.

Warum die SPD innerhalb des Parteienspektrums ein Profilressort wie Soziales abgeben sollte, bleibt Dein Geheimnis. Jedoch Dein Vorschlag, die große Koalition als politische Sodomie zu bezeichnen, sollte in Bremen Sprachgebrauch werden. Berliner Verhältnisse, bei dem kein Gesicht mehr zu erkennen ist: Davor möge uns Ritter Roland oder wer auch immer bewahren. Damit schafft sich Politik selber ab. Amerikanische Wahlbeteiligungsergebnisse sind nicht erstrebenswert. Deshalb, Volk von Bremen: Bewahre uns vor Sodomie und Inzucht; lieber morgen wählen, und zwar so, daß man sich entweder ärgert – oder hofft. Lieber Widersprüche als eine bleierne Sauce. Das Schlimmste verhindern, das Beste hoffen. Norbert Kentrup, Schauspieler der Shakespeare Company