Richter als besserer Rhetoriker

■ Dröge Präsentation der Kandidaten für Bremerhavens Magistratsspitze

Große Ratlosigkeit hinterließ die öffentliche Kandidaten-Vorstellung für die Ämter des Oberbürgermeisters und Bürgermeisters in Bremerhaven. Acht Bewerber durften sich auf Einladung der Stadtverordnetenfraktionen von CDU, FDP und SPD am Freitag abend präsentieren. Das Ergebnis nach fast vier Stunden: alle Herren haben die Worte „neues Steu-erungsmodell, Budgetierung, dezentrale Ressourcenverantwortung, motivierte Verwaltungsmitarbeiter, Stadt als Konzern...“ brav aus dem KGST-Handbuch („Kommunale Verwaltungsstelle für Verwaltungsvereinfachung) gelernt und konnten diese mit mehr oder weniger gekonnten Verbindungsworten lebhaft (Manfred Richter) bis hin zur Einschlafgrenze (Rainer Schaaff) vortragen.

Bester Verpackungskünstler war bei soviel drögem Durchschnitt Manfred Richter, Ex-Bundestagsabgeordneter, Landesvorsitzender der FDP und derzeit ohne Hauptberuf. Dem Hobbykabarettisten gelang es, die Aussage, daß Konsens seine Handlungsmaxime sei, derart hübsch zu verpacken, daß mehrmals Szenenapplaus gespendet wurde. Richter war auch der einzige, der zugab, daß Wunder länger dauern, weswegen er keine versprechen wolle. Doch reelle Chancen, angesichts der Bremerhavener Mehrheitsverhältnisse wirklich den Oberbürgermeisterposten mit seinem rhetorischen Glanz ausfüllen zu können, werden dem FDP-Politiker nicht eingeräumt.

Größere Hoffnungen kann sich dagegen Amtsgerichtspräsident Uwe Lissau machen, in dessen Rede etlichen ZuhörerInnen die markige Diktion seines Ziehvaters und Wirtschaftsstradtrat Werner Lenz allzu deutlich durchschien. Wolfhart Chevalier, unausgesprochener Kandidat der SPD (als Partei) und zur Zeit Senatsrat beim Bundesratssenator Uwe Beckmeyer in Bonn, biederte sich bei der CDU und der rechten SPD-Zuhörerschaft an, indem er eine Verstärkung der polizeilichen Präsenz und Gymnasien auch in Bremerhaven forderte.

Als „Frontkämpfer in 40 Ländern“ stellte sich Burghard Niederquell, ein parteiloser Anwalt und ehemaliger Mitarbeiter der Europäischen Raumfahrtagentur vor. Warum er, wenn er denn führende Managagerpositionen bekleidet hatte, sich auf den in diesem Vergleich unbedeutenden Posten eines Oberbürgermeisters oder Bürgermeisters in Bremerhaven bewirbt, konnte er allerdings nicht erklären.

Der Stadtdirektor von Marl, Reinhard Schaaff, hat, so Bremerhavens CDU-Parteichef J. Henry Wilhelms, die Fähigkeit, „einen vollen Saal leerzureden“. Das CDU-Mitglied, der mit einer Realschullehrerin verheiratete Oherstudienrat Bernhard Krumrey („2O Jahre ging es mit meiner Frau gut, dann kann es auch mit Bremerhaven gehen“) hielt es für erwähnenswert, daß es ihm als Vorsitzenden des Ausschusses zur Ausrichtung der Kieler Woche vergönnt war, 30 Oberbürgermeister und Schiffsbesatzungen mit zu empfangen.

Ernst-Ulrich Pfeifer, ehemaliger Stadtdirektor von Rotenburg/Wümme, outete sich als Reserveoffizier und erklärte, daß er auf Enthüllungen, wie die seiner Hilfe für die Ehemaligen-SS-Organisation „Stille Hilfe“ (vgl. taz vom 11.5.), die in der „taz und anderen kommunistischen Zeitungen“ stünden, nicht immer mit einem Dementi reagieren könne.

Da konnte der amtierende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Richard Skribelka, schon mit Handfesterem aufwarten. Zum Beispiel so: „Ich will ja nicht mein Licht unter den Scheffel stellen.“ Sagte es und präsentierte sich der staunenden Öffentlichkeit als Retter von Radio Bremen. Als der Hessische Rundfunk nämlich aus dem ARD-Finanzausgleich ausscheren wollte, habe er, Skribelka, es geschafft, dieses Ansinnen zurückzudrängen. Dies sei im übrigen auch ein Beweis dafür, daß er etwas von Finanzen verstehe.

Nur der mit zunehmender Dauer der Veranstaltung steigende Bierkonsum verhinderte am Freitag, daß sich nach der Vorstelungsrunde allzugroße Ernüchterung breit machte. Am Mittwoch will die Stadtverordnetenversammlung trotzalledem ihre Wahl treffen.

Volker Heigenmooser