■ Trotz drohender Handelssanktionen sind sich Japan und die USA wieder nähergekommen
: Abgenutzte Nippon-Connection

Kaum sind die Zeremonien zum 8. Mai in Europa beendet, da erklingt von weither über den Pazifik genau jenes Kriegsgeschrei, unter dem sich viele schon den Beginn eines neuen Weltkriegs ausgemalt haben.

„Der kommende Krieg mit Japan“ lautete noch 1991 der Titel eines amerikanischen Bestsellers, in dem die angeblichen Interessengegensätze in dem schon seit den siebziger Jahren schwelenden Handelskonflikt zwischen den beiden größten Wirtschaftsmächten zu einem unvermeidlichen Waffengang hochgekocht wurden. Applaus für die pessimistische Weltsicht der Autoren gab es damals übrigens von beiden Seiten des Pazifiks. Doch gerade weil bisher kein noch so unglaubwürdiges Szenario zwischen Tokio und Washington unerwähnt blieb, muß die europäischen Beobachter auch die jüngste Waffenschau über den Pazifik nicht allzusehr erschrecken.

Im Gegenteil: Wenngleich sich die traditionellen Fronten in der Autoindustrie aufgrund des erfolgreichen Lobbyismus der „Big Three“ in Washington und der Angeschlagenheit der japanischen Hersteller derzeit leicht beleben lassen, scheint die viel gefährlichere Variante des Handelskonflikts, nämlich das Aufputschen der Massen im vermeintlichen Kampf um die wirtschaftliche Hegemonie unter den beiden Größten, heute kaum mehr Konjunktur zu haben.

So darf mit großer Erleichterung registriert werden, daß sich die Goldfeder Michael Crichton nach seinen Ausflügen in feindliche japanische Mafia-Reiche, die unter den Namen „Nippon-Connection“ auch auf dem deutschen Büchermarkt sehr erfolgreich vertrieben wurden, wieder auf Amerikas innergesellschaftliche Themen zurückgezogen hat. Auch hätte es vor Jahren mindestens einen Aufmacher eines großen amerikanischen Nachrichtenmagazins garantiert, wenn bekanntgeworden wäre, daß ein japanischer Spekulant namens Yokoi Besitzer des Empire State Buildings sei. Wenngleich darauf erst seit einigen Tagen spekuliert wird, erschreckt die Vision Japan buys America heute eben niemanden mehr – mag es auch nur daran liegen, daß die japanischen Banken zu große Probleme mit ihren alten Spekulationskrediten haben.

Doch nicht nur die pazifischen Stimmungen, auch die fundamentals haben sich geändert. Die USA sind nicht mehr die zum Niedergang verurteilte Industrienation, und Japan hat seinen Ruf als technologisches Wunderland längst eingebüßt. Das bestätigen nicht zuletzt die volkswirtschaftlichen Ergebnisse der letzten Jahre, die Japan in der Rezession und Amerika im Aufwind sahen. So wäre es eigentlich Zeit für die Handelskrieger, ihre Waffen zu strecken, um sich gemeinsam dem Aufbau einer pazifischen Wirtschaftszone zu widmen.

Tatsächlich stehen sich Tokio und Washington im Rahmen des asiatisch-pazifischen Wirtschaftsforums (Apec) derzeit recht nahe. Eine solche Kooperation mag freilich nicht die Show aufwiegen, die das politisch scheinbar kostenlose Revival des Titanenkampfs im fünfzigsten Jahr nach ihrem letzten Krieg darstellt. Schon deshalb bleibt freilich ein letzter Rest Unbehagen: Schließlich findet auch die längst fällige historische Aussöhnung – siehe den US-japanischen Streit um Hiroshima – in diesem Jahr nicht statt. Georg Blume, Tokio