Die Lila Kuh im Minibus

■ Kraft-Jacobs-Suchard wagt Ökologie: Ein Europa-Projekt fördert Fahrgemeinschaften zum Arbeitsplatz. StadtAuto und Umweltressort mit auf dem Rücksitz.

Die Lila Kuh nimmt den Fuß vom Gaspedal: Kraft-Jacobs-Suchard (KJS) will den gordischen Verkehrsknoten lösen. Gemeinsam mit dem Bremer Umweltsenator und der Car-Sharing Initiative StadtAuto startet das Unternehmen in den verschärften Umweltschutz. Ein dreijähriges Versuchsprojekt soll Verkehrsentlastung im Innenstadtbereich bringen. Das Ziel heißt funktionierende Fahrgemeinschaft. Auf die soll die rund 2.200köpfige Belegschaft des Lebensmittelkonzerns aus dem privaten PKW umsteigen können, ohne daß Nachteile entstehen – ein europäisches Modellprojekt. Denn bisher galt die Fahrgemeinschaft zum Arbeitsplatz als heikle Sache.

„Zwar sind viele Leute offen für Alternativen zum Autoverkehr“, sagt Michael Glotz-Richter, Verkehrsexperte beim Senator für Umweltschutz. „Aber die Bedingungen müssen stimmen.“ Wer Menschen dazu bewegen will, auf's eigene Auto zu verzichten, muß bedenken, daß der morgendliche Weg zur Arbeit oft am Kindergarten vorbeiführt, wo die Tocher aussteigt. Und daß der Stadtbummel nach Feierabend auch zum Arbeitstag gehört – inklusive der prompt anschließenden Heimfahrt. „Wenn die dann nicht gesichert ist, verzichtet niemand auf's eigene Auto. Parkplatzsuche hin, Stau her“. Das ist die Erfahrung von Joachim Schwarz von der StadtAuto-Gesellschaft. Die mischt beim Suchard-Experiment mit: StadtAutos stehen für UmsteigerInnen zur Verfügung – statt teuren Taxis. Außerdem sorgt StadtAuto für die Logistik. Das Herzstück beim Auto-Teilen.

Daß das Umsteigen in die Fahrgemeinschaft ein Erfolg wird, dafür soll aber vor allem die Firmenleitung von Kraft-Jacobs-Suchard geradestehen. Deren Kooperationszusage war eine Voraussetzung für die Bezuschussung des Projektes durch die EU und Bremen – das Risiko zu Scheitern wäre sonst zu groß. Denn Untersuchungen belegen bereits, daß bei halbherziger Unterstützung, bei der reinen Fahrplatzvermittlung beispielsweise, niemand langfristig ins Gemeinschaftsauto umsteigt: Weil die privaten Fahrwünsche dabei zu oft hinter rigide Regeln zurückstecken müssen. Keine Überstunden, kein Bier kurz nach Feierabend – sonst ist die Fahrgemeinschaft weg. Und das moderne Gefühl von Freiheit und Beweglichkeit auch.

30.000 Mark kostet das Projekt den Lebensmittelkonzern in drei Jahren. Fingerspitzengefühl noch nicht gerechnet: Wer reist schließlich gerne mit dem Lieblingsfeind im selben Fahrgemeinschaftsauto? Solche Pannen müssen vermieden werden – durch Gespräche beispielsweise, die während der Arbeitszeit stattfinden. Einkalkuliert ist auch der professionelle Fahr-Vermittlungsdienst. Und vor allem handfeste Reisekosten: KJS gewährt VersuchsteilnehmerInnen nämlich die „Heimfahrt-Garantie“ – im Notfall sogar per Taxi.

Vor allem in dieser Hinsicht hebt sich das Bremer Projekt von bisherigen bundesweiten Versuchen ab: Statt auf den moralischen Vorschlaghammer „Autofahren-schadet-der-Umwelt“, setzt es die zarte Versuchung Dienstleistung. Die soll die Strecke zwischen Arbeitsplatz und zu Hause unbürokratisch füllen – selbst wenn die Fahrgemeinschaft schon lange losgebraust ist.

Das Konzept kalkuliert nicht mit Wohlwollen. Es rechnet mit allseitigem Nutzen. Den sieht langfristig auch Kraft-Jacobs-Suchard: „Ein PKW-Stellplatz kostet zur Zeit rund 1.800 Mark pro Jahr für Nutzung und Instandhaltung“, sagt Suchard Umwelt-Mann Heiko Richert. Das seien Kosten, die bislang für Autofahrer gratis übernommen würden. Dabei sei es eigentlich wenig sinnvoll, geschweige denn lukrativ, das wertvolle Innenstadtgelände an der Weser als Parkplatz zu nutzen. Hier reichen sich Ökologie und Ökonomie die Hand.

Auch das zweite Unternehmen im Bunde, die StadtAuto-GmbH, sieht Vorteile: Immerhin pendelt fast die Hälfte der KJS-Firmanangehörigen aus umliegenden Ortschaften nach Bremen ein. Delmenhorst und Lilienthal heißen ihre Bettenburgen. Dort könnten demnächst vielleicht auch Stadtautos stehen, die von den Butenschläfern gegen Gebühr privat genutzt werden, so die Stadtauto-Hoffnung. „Vielleicht rechnen sich ja manche aus, daß sie mit uns sowieso günstiger fahren als mit dem eigenen Auto.“

Doch es gibt auch Vorbehalte: Rechtliche Fragen müssen erörtert werden, der Autokilometer auf der Steuererklärung ebenso wie Haftungsfragen.

Zur Zeit beteiligt sich erst eine von zehn Suchard-MitarbeiterInnen überhaupt an einer Fahrgemeinschaft, zwei Personen sind dabei Standard. Die übrigen 800 PendlerInnen sitzen jeden Morgen alleine im Auto. Da wäre zwar das Umsteige-Potential rein rechnerisch beachtlich. Aber erst muß die neue Kombination Dienstleistung plus Fahrgemeinschaft greifen. Von Projekten, die ohne Heimfahrt-Garantie arbeiten, weiß man: „Die Umsteigerquote liegt nur bei drei Prozent. Aber wir bieten viel Service und wollen natürlich mehr als 30 Fahrgemeinschaften dazugewinnen“, betont das Dreigespann von Umweltschutzbehörde, Stadtauto und Suchard.

Der Erfolg hängt von der zukünftigen Politik der Firmenleitung ab. Dort schmort das Zuckerbrot noch im Ofen: das Job-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr ist noch nicht beschlossen. Ebensowenig die Parkraum-Bewirtschaftung als flankierender Wink mit dem Zaunpfahl. Darauf warten UmweltschützerInnen: Die besten Parkplätze für umweltbewußte Auto-TeilerInnen wäre doch die Krönung. Eva Rhode