Der erleuchtete Menem

Argentiniens Präsident Carlos Menem triumphiert im ersten Wahlgang / Auch absolute Mehrheit für die Peronisten im Parlament  ■ Aus Buenos Aires Bernd Pickert

Carlos Saúl Menem hat es geschafft. Schon im ersten Durchgang der argentinischen Präsidentschaftswahlen hat sich der Staatschef klar durchgesetzt. Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen erreichte Menem 49,5 Prozent der Stimmen — zwei Prozent mehr als 1989 — und ließ damit José Octavio Bordón von der „Frente solidarisches Land“ (Frepaso) (30,2 Prozent) und Horacio Massaccesi von der „Radikalen Bürgerunion“ (UCR) (16,5) weit hinter sich. Die Peronisten erreichten auch die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus mit etwa 135 von 257 Mandaten.

Das Wahlergebnis erfüllt gleich beide Bedingungen, um eine zweite Runde gar nicht erst stattfinden zu lassen: Menem hat sowohl mehr als 45 Prozent erhalten als auch mehr als 10 Prozent Abstand auf den nächstfolgenden Kandidaten. Der Ex-Putschist Aldo Rico kam auf 1,5 Prozent, der Filmemacher Fernando „Pino“ Solanas auf 0,5 Prozent.

Schon gegen 19 Uhr am Sonntag abend war die Innenstadt voll von hupenden Autos, aus denen heraus die weißblaue Landesfahne gezeigt wurde. Aus Lautsprecherwagen ertönte die „Marcha Peronista“, Dutzende von Basisgruppen der Partei kamen mit ihren traditionellen Pauken. Als sich Menem schließlich auf dem Balkon der Casa Rosada zeigte, füllten bereits Zehntausende Menschen den Platz.

Wenige Blocks weiter verfolgten unterdessen vor dem Hotel Savoy, wo Bordón sein Pressezentrum eingerichtet hatte, ein paar hundert seiner AnhängerInnen noch immer gespannt die Hochrechnungen. Jedes Zehntelprozent, das Menem verlor, wurde bejubelt. Als sich Bordón hier gemeinsam mit seinem Vizepräsidentschaftskandidaten Chacho Alvarez auf dem Balkon präsentierte, brachten es beide nicht fertig, ihren AnhängerInnen die Hoffnung auf einen zweiten Wahlgang zu nehmen — dabei hatte Bordón zu diesem Zeitpunkt längst den Triumph Menems anerkannt.

In der Hauptstadt Buenos Aires hat Menem verloren. Hier, aber auch nur hier, gewann Bordón mit 44 zu 41 Prozent. Menems deutlicher Sieg liegt vor allem an seinem guten Abschneiden in der Provinz Buenos Aires insgesamt, und hier vor allem an der Popularität des peronistischen Gouverneurs Eduardo Duhalde. In der Provinz, die die Hauptstadt einschließt, leben 8 der insgesamt 22 Millionen Wahlberechtigten — und mit viel Geld hat Duhalde hier in den letzten Jahren Sozialprogramme auf die Beine gestellt. Kein Wunder also, daß Duhalde bei den parallel stattfindenden Provinzwahlen mit rund 57 Prozent der Stimmen erneut zum Gouverneur gewählt wurde. Auch in der Nordprovinz Santiago del Estero, das seit dem Aufstand im Dezember 1993 durch einen von der Zentralregierung eingesetzten Gouverneur regiert worden war, gewannen die Peronisten mit 65 Prozent, in La Rioja im Nordwesten gar mit 83.

Menems Wahlsieg fügt sich in einen lateinamerikaweiten Trend — erst letzten Monat gewann in Peru Alberto Fujimori ähnlich klar. Die Angstkampagne der Regierung vor der „Instabilität“, die ein Regierungswechsel mit sich bringen würde, hat funktioniert. Die Welle neoliberalen Wirtschaftens in Lateinamerika produziert fast überall das gleiche Schema: Regierungen, die sich die erfolgreiche Inflationsbekämpfung gutschreiben lassen, und Oppositionsparteien, die auf die sozialen Kosten der Anpassung hinweisen. Während des Wahlkampfes gibt sich die Regierung dann Mühe, in kurzer Zeit möglichst viel soziales Engagement zu zeigen — wie Alberto Fujimori in Peru ließ sich auch Carlos Menem gerne dabei fotografieren, irgendwelche Schulbauten zu eröffnen — vor allem aber wird beschworen, daß all die Opfer der vergangenen Jahre sinnlos waren, wenn man jetzt nicht weitermachen könne auf dem Weg der Stabilisierung.

Menem darf sich bestätigt fühlen, aber gebilligt ist mit seinem Sieg auch ein Regierungsstil, der von Notdekreten am Parlament vorbei über ständigen Zwist mit der freien Presse zu absolutistischen Allüren und der Ersetzung von Politik durch Kitsch reicht. Vom Balkon des Präsidentenpalastes verabschiedete sich Menem in gewohnter Manier: mit einem Küßchen für Tochter Zulemita, einem Gedenken an Sohn Carlito und dem Aufruf, am Montag aber ja zur Arbeit zu gehen — es gebe viel zu tun. Die vielen Arbeitslosen mögen diesen kleinen Ausrutscher verzeihen — einige verdienen sich just an diesem Abend ein bißchen Geld damit, auf der Plaza kleine batteriebetriebene Lampions mit dem Konterfei des Präsidenten zu verkaufen: „Der erleuchtete Menem, nur drei Pesos!“