Bremer Bannmeile hält Dirigenten fern

■ Musicon-Gala kurzfristig abgeblasen: Gerangel um Zubin Mehta im Bremer Musikbetrieb

Daß der Weg zu einem neuen Bremer Konzerthaus steinig sein würde, hat der Kreis der Initiatorinnen und Initiatoren geahnt. Mühsam, aber stetig gehe es mit den Spenden für den „Musicon“-Palast voran, läßt der „Förderkreis Neue Philharmonie“ verlauten. Bevor es entscheidend weitergeht, hat der Verein allerdings erstmal einen besonders dicken Brocken zu bewältigen: Das geplante zweite „Galakonzert“ mit den Münchner Philharmonikern, das abermals die Spendenfreude der Bremer Bevölkerung ankurbeln sollte, mußte gestern kurzfristig abgesagt werden. Grund: Das Orchester müßte am Samstag ohne Dirigenten auftreten – Sergiu Celibidache liegt nach einem Beinbruch flach, und der vorgeschlagene Ersatzmann Zubin Mehta hat sich bereits für das Bremer Musikfest im August verpflichtet. Und zwar exklusiv: Musikfest-Organisator Thomas Albert will auf jeden Fall verhindern, daß sein Stargast zweimal in kurzer Zeit am selben Platze dirigiert.

Diese Art von Vertrag hält Albert auch für „branchenüblich“, wie er gestern auf Anfrage erklärte. Drei Monate vor und nach dem Eröffnungskonzert, das Mehta am 27. August mit dem Philharmonischen Orchester Israel gibt, dürfe der Meister demnach nicht in Bremen dirigieren. Ansonsten „hätte dieser Knüller eine Schwächung erfahren“, schwant Albert; „Karteneinbrüche“ wären zu befürchten gewesen – mehr noch: Der Firma Eduscho, alleinige Sponsorin des Konzerts, habe Albert die „Exklusivität“ des Maestros zugesichert. Wegen der geplanten „Musicon“-Gala „gab es schon ganz große Probleme“ mit der Sponsorin.

Die Befürchtungen Alberts teilt die „Musicon“-Initiative allerdings nicht. Ein zusätzliches Konzert mit Mehta, gut drei Monate vor dem Musikfest – „das wäre keine Beeinträchtigung, sondern eine Befruchtung“, erklärt „Musicon“-Aktivist Klaus Bernbacher. Die durch den Musikfest-Vertrag erzwungene Absage der Münchner Philharmoniker sei „musikalisch so unsinnig, wie sie nur sein könnte“. Materieller Schaden – über die bereits angeleierte Werbung hinaus – entstehe dem Verein im übrigen nicht. 160.000 Mark hätte das Spektakel gekostet (und bei weitem nicht eingespielt – bis gestern war rund die Hälfte der Tickets verkauft); den Schaden sollen nun die erbosten Münchner Philharmoniker zahlen, da sie doch kopflos nach Bremen kommen müßten.

Auch Ersatz habe sich nicht finden lassen, so Bernbacher. „Andere Dirigenten dieser Preisklasse sind so kurzfristig nicht mehr einzubauen.“ Da hätte sich der „Musicon“-Verein halt früher um Alternativen bemühen müssen, rät wiederum Albert. Bei einem hochbetagten Maestro wie Celibidache sei es doch nicht abwegig, sich nach Ersatz für den Notfall umzusehen.

So fliegen die Vorwürfe in beide Richtungen. „Eine bremische Tragödie“, jammert „Musicon“-Vorständler Klaus Gätjen. Eitelkeiten und Formalitäten scheinen somit ein verheißungsvolles Konzertereignis zu verhindern. Vielleicht hätte man die Formalitäten aber auch nur genau zu nehmen brauchen: Wenn Bremen tatsächlich genau drei Monate lang als Bannmeile für Maestro Mehta gilt – dann hätte er eigentlich problemlos am Samstag auftreten dürfen; dann wäre es nämlich noch eine Woche hin gewesen, bis die Sperrfrist in Kraft tritt.

Die „Musicon“-Riege aber macht trotz solchen Mißgeschicks in Optimismus. Schon peilt Bernbacher eine „ähnliche Gala zu einem späteren Zeitpunkt“ an. Und sowieso sind die nächsten Termine auf dem Weg zum „Musikhaus des Nordens“ längst abgemacht: Soeben lobte der Verein einen beschränkten Architekturwettbewerb aus; zwölf namhafte Büros aus aller Welt sollen bis August der „Musicon“-Idee Gestalt geben. Auf der „Hafa“ soll dann alles feierlich an einem eigenen Stand präsentiert werden. Den Bauplatz hat man sich auch schon ausgesucht: auf der Bürgerweide, direkt am geplanten „Klangpfad“; Kosten: etwa 60 Millionen Mark. Zwei hat man schon beisammen. tw