Der neue Kandidat ist der alte

■ Henning Scherf, 1985 gegen Klaus Wedemeier unterlegen, will nun sein Nachfolger werden

Er hätte gern noch ein paar Tage abgewartet, gestand Bildungssenator Henning Scherf gestern mittag den wartenden Journalisten auf der Straße vor dem SPD-Parteibüro, und sich dann erst erklärt. Hinter verschlossenen Türen, so berichtete Scherf, hatte der SPD-Landesvorstand die Besetzung der Sondierungskommission für die Koalitionsverhandlungen beraten. Da sich mögliche Kandidaten nicht als Mitglieder dieser Kommission Platzvorteile verschaffen sollten, habe er sich schneller als geplant entscheiden müssen, ob er nun antreten will oder nicht. Seine Entscheidung war aber schnell klar: Henning Scherf will.

Dies ist sein zweiter Anlauf. Nach dem Rücktritt von Hans Koschnick hatte Scherf auch 1985 gegen den damaligen Fraktionsvorsitzenden Klaus Wedemeier seine Kandidatur angemeldet und nach einer Serie von Parteitagen nur knapp verloren. Nicht die UB-Delegierten wie damals, sondern die SPD-Basis soll 1995 in einer Abstimmung in einigen Wochen, so hat der Landesvorstand beschlossen, über Koalition und über die Personen, die sich bis dahin beworben haben, entscheiden.

„Hohe Nehmerqualitäten“ müsse derjenige haben, der nun der neue Bürgermeister wird, meinte Scherf, „Geduld und Nerven“. Er selbst traut sich das zu. Scherf hofft, daß es mehrere Kandidaten gibt, weil dies die Profilierung in der innerparteilichen Debatte erleichtern würde. Es gehe darum, für die SPD „Trauerarbeit nach vorne“ zu leisten und Perspektiven zu entwickeln. Sein „Wunschgegner“ wäre Claus Grobecker, meinte Scherf, der werde aber wohl nicht antreten.

Auch Volker Kröning, in der SPD-Krise 1993 Herausforderer von Klaus Wedemeier, wird vorerst nicht antreten. Auf Nachfrage erklärte er, er sei erst vor einem halben Jahr in den Bundestag gewählt worden, dieses Mandat würde er nur „aus zwingenden Gründen“ aufgeben. „In den Ergebnissen der Landesvorstandssitzung sehe ich deshalb keine Grundlage, eine Bewerbung für das Amt des Präsidenten des Senats und Bürgermeisters von Bremen abzugeben.“ Im Klartext: Nur wenn er gerufen und gebeten würde, stünde er eventuell zur Verfügung.

Auch ein anderer potentieller Kandidat hat schnell abgewunken: Walter Momper, der in Bremen geborene frühere Berliner Bürgermeister war am Montag wieder im Gespräch und wurde auch kontaktiert. „Die Bremer spinnen mal wieder“, soll er dazu gesagt haben.

Wenn es eine offene Kandidaten-Debatte geben soll, dann wird jeder auswärtige SPD-Politiker es sich dreimal überlegen, ob er wirklich auf fremden Terrain gegen Bremen-Insider wie Scherf antreten soll. So attraktiv ist der Posten nun auch wieder nicht. Das aber bedeutet, daß Scherf möglicherweise auch der einzige Kandidat bleibt. Abgewunken haben sowohl Fraktionschef Dittbrenner wie die SPD-Landesvorsitzende Tine Wischer, die beiden werden zusammen mit ihrem Stellvertreter Uwe Mögling nun die Koalitionsverhandlungen in den Sondierungs-Gesprächen vorbereiten.

1985 hatte der SPD-Bewerber Scherf den damals von Koschnick vorgeschlagenen Wedemeier dadurch in Verlegenheit gebracht, daß er eindeutig erklärte, mit ihm sei keine große Koalition zu machen. „Das würde ich heute auch gern sagen“, meinte Scherf gestern, „aber unsere Optionen sind dürftiger geworden“. Die SPD müsse sich hüten, jetzt „dicke Backen“ zu machen; schon um eine bessere Verhandlungsposition zu haben, wolle er „die Tür zur CDU nicht zuschlagen“.

Die Grünen reagierten zurückhaltend auf die Kandidatuir von Scherf (vgl. Hackstein-Interview Seite 18, Scherf-Portrait Seite 11). Für die AfB meinte Elke Kröning: „Ein Henning Scherf ist keine Integrationsfigur, weil er keine Zukunftsperspektive hat.“ Daß er das Bildungsressort heruntergewirtschaftet habe, qualifiziere ihn nicht für Höheres. K.W.