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Noch mehr Trümmerfrauen

■ Dieter Meichsners Dreiteiler "Imken, Anna und Maria oder Besuch in der Zone" (1), 20.15 Uhr, ARD

Kaum ist der 8. Mai 1945 fernsehtechnisch bewältigt, wendet sich die ARD der Aufarbeitung einer weiteren „Stunde Null“ zu. Und wieder gilt es, politische Wendepunkte zu markieren, die Tatkraft vor allem der Frauen zu rühmen und diverse Trümmer zu beseitigen – diesmal sind es die der Deutschen Einheit.

Fünf Jahre nach der Wende, einige wenig humorvolle Dekaden nach „Motzki“, „Trotzki“ und „Wir sind auch nur ein Volk“ hat die ARD nun mit „Imken, Anna und Maria“ endlich einen Dreiteiler vorgelegt, der sich dem ostwestdeutschen Trauma auf seriöse Weise nähert. Nach den Satirikern Wolfgang Menge und Jurek Becker wurde der öffentlich-rechtliche Einigungsauftrag diesmal in die Hände des einstigen NDR-Fernsehspielleiters Dieter Meichsner gelegt. Nicht von ungefähr ist es jener vielgerühmte Autor, der 1958 mit seinem Fernsehspiel „Besuch aus der Zone“ für Aufruhr sorgte. Provokativ hatte er die Folgen der deutsch-deutschen Teilung anhand eines Konfliktes zwischen einem westdeutschen Fabrikanten und seinem ehemaligen Teilhaber aus dem Osten versinnbildlicht.

Nun also machen sich die Hamburger Unternehmensberaterin Imken (Magdalena Ritter) und die Mainzer Rechtsanwältin Anna (Gila von Weitershausen) auf zu einem „Besuch in der Zone“. Aus ganz unterschiedlichen Motiven, aber beide beseelt von der Vorstellung, nicht alles am Osten könne schlecht sein, wollen sie beim vielbeschworenen „Aufbau Ost“ helfen.

In der Erzgebirgskleinstadt Graifenhain ist die politische Wende 1992 mittlerweile vollzogen: Im Rathaus versucht der neue Bürgermeister Geyer (Klaus Manchen), die Kommunalverwaltung auf Westniveau zu trimmen. Obwohl ehemalige CDU-Blockflöte, gilt er im Ort noch als „unbelastet“ – aber er fühlt sich nicht so. Überall trifft Geyer auf alte SED-Genossen, die – nun selbst entmachtet – ihn gerne daran erinnern, daß er früher schließlich selbst „mitgemacht“ habe.

Auch im „Blechwerk“, dem einzigen noch produzierenden Betrieb der Gegend, haben jetzt neue Herren das Sagen. Die dreiköpfige Geschäftsleitung ist von jener Belegschaft gewählt worden, die die ehemaligen Kollegen Hänelt, Zister und Stoll nun Mann für Mann entlassen müssen. Nicht nur eine Auflage der Treuhand, sondern auch eine Notwendigkeit für das westmark(t)gerechte Überleben des ehemaligen VEB-Betriebs. Vor Urzeiten hieß das Werk „Mildner und Nötzel“. Aber wer außer Maria Mildner will sich daran noch erinnern...

Dieter Meichsner nimmt sich viel Zeit, die Befindlichkeiten seiner Protagonisten zu beschreiben. Das Blechwerk braucht einen potenten Geldgeber und gerät noch während der laufenden Verhandlungen in akute Zahlungsnot. „Die Haut wird dünn“, stöhnt Werksleiter Hänelt und muß erkennen, daß seine niedrigen Stückpreise von den neuen Geschäftspartnern oft nur benutzt werden, um die Preise der angestammten Blechwerke im Westen zu drücken. Die Übernahmeverhandlungen mit „den Schweizern“ verlaufen stockend, eine neue Zufahrt zum Werksgelände würde dringend gebraucht, aber Bürgermeister Geyer kämpft gerade mit den neuen Umweltschützern, die keinen weiteren Meter Straße mehr zulassen wollen.

Wie in seiner Erfolgsreihe „Schwarz-Rot-Gold“ vermittelt Meichsner seine wirtschaftspolitischen Botschaften auch hier mit Arbeit am Detail. Es ist meist das Kleingedruckte, das den großen Aufschwung verhindert. Was mit diesem dramaturgischen Prinzip nicht zu erklären ist, müssen die Helden ihren neuen Freunden von „drüben“ in lehrreichen Monologen plausibel machen – auch das kennen wir von Zollamtsleiter Zaluskowski und seiner Crew, die netterweise sogar ein Gastspiel in „Imken, Anna und Maria“ gibt.

Wer sich den Dreiteiler aufmerksam anschaut, lernt tatsächlich viel über den Osten im Jahre 1992. Nicht nur, weil die Regie (Gunther Scholz) und der Stab klugerweise in ostdeutsche Hände gelegt wurden und die Ostschauspieler Ostler, die westdeutschen Westler spielen, wirkt das Fernsehspiel so viel weniger imperialistisch als etliches, das wir von Westautoren zu diesem Thema bisher gesehen haben.

Eines allerdings kann auch Meichsner – bei aller Virtuosität – nicht leisten: Die Schraube der Probleme zieht viel schneller an, als ein TV-Spiel produziert werden kann. Graifenhain im Frühjahr 1992 – das ist zum Ausstrahlungstermin schon wieder drei Jahre her. Für Verständnis werben kann man eben nur in der Rückschau. Die Gegenwart bleibt im Fernsehen zwangsläufig den kleinen, schnellen Formen vorbehalten. Die Reportagen und Satiren, Alltagsserien à la „Lindenstraße“ und Daily-Talks werden unser aktuelles Bild von Hüben und Drüben auch in Zukunft weit mehr bestimmen. Aber immerhin hat diese „Stunde Null“ nun ein vorzeigbares Fernsehspiel hervorgebracht, das nicht erst fünzig Jahre danach zeigt, wie wir wurden, was wir sind. Klaudia Brunst

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