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Girvies Davis ist nicht nur ein Opfer der Polizei

■ Der 36jährige Afroamerikaner aus Illinois soll heute hingerichtet werden

Washington (taz) – Girvies Davis hat nie behauptet, ein gesetzestreues Leben geführt zu haben. Zum ersten Mal wurde er mit acht Jahren verhaftet. Girvies Davis bestreitet auch nicht, mehrere bewaffnete Raubüberfälle durchgeführt zu haben. Aber er bestreitet vehement, jeh einen Menschen getötet zu haben – auch nicht den 89jährigen Charles Biebel, für dessen Mord er nun exekutiert werden soll. Sollte Jim Edgar, Gouverneur des Bundesstaates Illinois, seinen Worten keinen Glauben schenken, und sollten letzte juristische Anträge auf einen Aufschub keinen Erfolg haben, dann wird Davis heute durch eine tödliche Injektion hingerichtet.

Für den Staatsanwalt des Bezirks St. Clair, in dem der Afroamerikaner 1979 zum Tode verurteilt wurde, ist die Sache nach wie vor klar. Davis hatte kurz nach seiner Verhaftung ein Geständnis über elf Morde selbst niedergeschrieben. Wenig später legten ihm Polizisten das Geständnis – „erweitert“ auf 20 Straftaten – in getippter Version vor. Davis unterschrieb.

Für Davis' Anwälte und ein Unterstützerkomitee in Chicago, dem sich unter anderem der Publizist Studs Terkel angeschlossen hat, ist der Fall ebenfalls klar: Davis ist das Opfer einer fingierten Polizeiermittlung. Denn 1979 war der damals 20jährige Alkoholiker erwiesenermaßen Analphabet und somit unfähig, ein ausführliches Geständnis über elf Morde zu verfassen. Die Unterschrift unter die getippte Version kam nach Darstellung von Davis zustande, als ihm Polizeibeamte eine Nacht später Handschellen und Beinketten aufschlossen, ihre Waffen entsicherten und ihn vor die Alternative stellten, entweder die vorgelegten Papiere zu unterzeichnen oder „die Flucht zu versuchen“.

Hinzu kommt, daß Davis zu jener Zeit unter den Folgen einer schweren Kopfverletzung litt, die von einem Unfall in seiner Kindheit herrührte, und nach Aussagen von Ärzten seine Auffassungsgabe schwer beeinträchtigt. Solchen Personen Geständnisse zu entlocken ist nach Aussage des kalifornischen Soziologen Richard Ofshe so ähnlich, „wie einem Baby Süßigkeiten wegzunehmen“.

Unterstüzung für Davis kommt auch über Internet

Schuldspruch und Todesurteil der nur aus Weißen zusammengesetzten Gerichtsjury blieben über die Jahre hinweg bestehen, und dies obwohl für sieben der von Davis „gestandenen“ Straftaten inzwischen andere Personen verhaftet und schuldig gesprochen worden sind.

Als eines der ersten Verteidigungsteams haben Davis' Anwälte Unterstützung für ihren Mandanten auf dem „Information Super- Highway“ mobilisiert. Auf dem „Internet“ kann man Nachrichten von Davis sowie die Kopien des handgeschriebenen „Geständnisses“ und eines Briefes von Davis vergleichen, der inzwischen mit Hilfe anderer Insassen des Todestraktes Lesen und Schreiben gelernt hat. Die beiden Handschriften weisen keinerlei Ähnlichkeiten auf.

Rund 1.000 Menschen haben inzwischen per E-Mail an Gouverneur Edgar appelliert, Girvies Davis zu begnadigen. Lehnt Edgar ab, so bleibt den Anwälten nur noch ein letzter, wenig erfolgversprechender Antrag auf Exekutionsaufschub an den Obersten Gerichtshof. Andrea Böhm

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