: Angeschlagene Regierungspartei sucht taufrischen Koalitionspartner
■ Ohne die SPD läuft nichts, doch wer wird Kompagnon? / Sowohl CDU als auch Grüne drängen auf die Regierungsbank
Bremen (taz) – Die Bremer SPD steckt in der Zwickmühle: Entweder sie riskiert eine rot- grüne Koalition, die schnell an ihrer knappen Mehrheit von nur zwei Stimmen unterzugehen droht, oder sie verschafft der CDU nach 50 Jahren endlich mit einer Großen Koalition den Einstieg in die Regierung. Eine Zeitlang in der Opposition zu bleiben, dort zu regenerieren, das bleibt ihr nicht.
Denn die einzig denkbare Mehrheit jenseits der SPD, die aus CDU, Grünen und der SPD-Abspaltung „Arbeit für Bremen“ (AfB) bestehen müßte, kommt nicht zustande. Zwar wollen die drei Gespräche über mögliche gemeinsame Anträge zur Parlamentsreform und die Zusammenarbeit in den Stadtteilbeiräten führen, eine Dreierkoalition schließen die Spitzenkandidaten von CDU und Grünen, Ulrich Nölle und Helga Trüpel, jedoch definitiv aus.
Die Bremer SPD muß sowohl mit den Grünen als auch mit der CDU verhandeln. Eine Beschränkung auf eine der beiden Möglichkeiten verbietet sich allein aus taktischen Gründen, da sonst die sowieso schlechte Verhandlungsposition der SPD noch weiter geschwächt würde. Unüberwindbare inhaltliche Probleme stehen allerdings weder zwischen SPD und CDU noch zwischen Rot-Grün. Weit schwieriger dürfte in beiden Fällen die Verteilung der Ressorts werden.
Denn obwohl die SPD noch mit 0,8 Prozent der WählerInnenstimmen vor der CDU liegt, hat deren Spitzenkandidat Ulrich Nölle gestern schon seinen „Führungsanspruch“ in einer Großen Koalition angemeldet. Schließlich hätten beide Parteien „gleich viele Abgeordnete, die CDU aber den Wahlsieg“ errungen. Eine „Bedingung“ für die inhaltlichen Koalitionsverhandlungen sei die Personalfrage aber nicht, so Nölle.
Die CDU nimmt zuviel, die Grünen wollen zuviel
Für eine mögliche rot-grüne Koalition hat die Spitzenkandidatin der Grünen, Helga Trüpel, bereits am Wahlabend angekündigt, daß sie „stärker geworden sind und das auch in die Verhandlungen einbringen werden“. Gemeint ist wohl ein drittes Ressort in dem wahrscheinlich zehnköpfigen Senat, davon mindestens eins in einem „harten“ Politikbereich. Die Bremer Grünen liegen mit 13,1 Prozent jetzt bei weit über einem Drittel des SPD-Wahlergebnisses von 33,4 Prozent.
Inhaltlich haben sich die Reibungspunkte zwischen SPD und Grünen bereits in den letzten dreieinhalb Jahren der Ampelkoalition sehr deutlich gezeigt. Eines der größten Probleme bei den Verhandlungen ist der beabsichtigte Verkauf von Anteilen der kommunalen Stadtwerke. Nach dem Zerfall der Ampelkoalition hatte die SPD Fakten geschaffen. Der von ihrem Finanzsenator ausgehandelte Vertrag über den Verkauf von 49,5 Prozent der Stadtwerke- Aktien an Veba, Ruhrgas und die französische Tractebel ist nur deshalb noch nicht in Kraft, weil die Bürgerschaftsfraktionen von Grünen, CDU und FDP kurz vor der Wahl ihre Zustimmung verweigert hatten. Der Vertrag steht im krassen Widerspruch zu Beschlüssen der grünen Partei. Die wollte höchstens 25,9 Prozent der Stadtwerke verkaufen und dies auch nicht an Atomstromproduzenten und Bremer Stromlieferanten wie die Veba.
Weitere Streitpunkte für Rot- Grün sind die Erschließung von Gewerbeflächen auf der grünen Wiese, die ökologisch bedenkliche Vertiefung der Außenweser und die Frage der Unterbringung von AsylbewerberInnen. Während das SPD-geführte Sozialressort zentrale Erstunterkünfte vor allem auf einem Wohnschiff im Bremer Kohlenhafen geschaffen hatte, fordern die Grünen die dezentrale Vermittlung der Flüchtlinge in Wohnungen.
In den Verhandlungen über eine Große Koalition steht vor allem ein Streit um die Verkehrspolitik bevor. Während die CDU für Bremen ein milliardenschweres Straßen- und Autobahnneubauprogramm fordert, kämpft die SPD-Basis in jedem der betroffenen Stadtteile erbittert gegen die Neubauten und tritt für Verkehrsberuhigungen und eine Verbesserung des Straßenbahnnetzes ein. Nach Willen der CDU soll der Bremer Standard bei Sozialhilfe, Kindergärten- und Schulausstattung zurückgefahren werden. Auch dies würde die SPD an manchen Stellen schnell in eine Zerreißprobe mit ihrer Basis bringen. Dirk Asendorpf
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