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Kohlehalden liegen Rot-Grün im Weg

In Nordrhein-Westfalen wird eine Einigung zwischen Rot und Grün schwierig / Zu konträr sind die Standpunkte zu Straßenbau, Kohle und Müllverbrennung  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Es ist erst wenige Tage her, da feierten in Castrop-Rauxel ein paar tausend Kumpel aus den Steinkohlerevieren Johannes Rau und Rudolf Scharping als „unsere wichtigsten Freunde, auf die wir uns verlassen können“. Und Rau gab ein Versprechen: „Für die SPD wird es Energiepolitik nur mit der deutschen Steinkohle geben.“ Eine Politik, die das Ende des Steinkohlebergbaus vorsehe, werde es mit ihm nicht gegen.

Im Hinblick auf die Bonner Energiekonsensgespräche setzte Scharping noch eins drauf: „Es wird nichts geben, dem wir zustimmen, wenn die Existenz des Bergbaus nicht gesichert ist.“ An diesen Worten werden die Bergleute die SPD jetzt messen. Und damit ist ein heikler Punkt für die rot-grüne Zusammenarbeit schon klar. Denn die Grünen wollen genau das Gegenteil. Sie sind nach langen Diskussionen entschlossen, den Steinkohlebergbau, der im Jahr gut 10 Milliarden Mark an Subventionen schluckt, in den kommenden 20 Jahren auslaufen zu lassen – bis auf ein paar Zechen als Demonstrationsobjekte. Ein langsames Ende, gegen das sich mit Macht die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) wie auch die Ruhrkohle AG stemmen.

Es sind zwar kaum noch 80.000 Bergleute in NRW, die die einst als „schwarzes Gold“ gerühmte Kohle aus der Erde buddeln, aber die Düsseldorfer Landesregierung dürfte nicht falsch liegen, wenn sie davon ausgeht, daß zusätzlich etwa 160.000 weitere Arbeitsplätze vom Kohlebergbau abhängen. Schlössen die Zechen, ginge es auch den heimischen Zulieferern und den Exporteuren deutscher Bergbautechnik an den Kragen.

So schlimm muß es nicht kommen. Innerhalb von 20 Jahren ließen sich durch Umschichtung der Kohlesubventionen in andere Bereiche gewiß neue Beschäftigungsmöglichkeiten erschließen. Entsprechende Umbaumodelle dafür liegen vor. Etwa von der „Arbeitsgruppe Ökologische Wirtschaftspolitik“, deren Vorstellungen die Grünen im Grundsatz übernommen haben. Wie viele dieser neuen Arbeitsplätze aber durch die Umverteilung der Investitionen tatsächlich entstehen werden, weiß niemand. In den Bergbauregionen glaubt man an die versprochenen Ersatzarbeitsplätze nicht. Trotzdem dürfte Rot-Grün an der Steinkohlefrage nicht scheitern, denn das grüne Ausstiegskonzept schreibt im Grunde nur den Schrumpfkurs der letzten 20 Jahre fort — pro Jahr fielen etwa 5.000 Arbeitsplätze weg. Hier liegen die Möglichkeiten für Kompromisse, und auch innerhalb der SPD gibt es niemanden, der glaubt, die jetzige Förderung ließe sich aufrechterhalten. Viel schwieriger sieht es beim Braunkohletagebau aus. Hier hat die SPD-Landesregierung mit der Genehmigung von Garzweiler II kurz vor der Wahl die Weichen so gestellt, daß die Grünen auf diesen Zug definitiv nicht aufspringen können. Der von Teilen der CDU mitgetragene SPD- Beschluß erlaubt es der RWE- Tochtergesellschaft Rheinbraun, im rheinischen Braunkohlerevier zwischen Köln und Aachen ein riesiges, 48 Quadratkilometer großes Loch zu buddeln. Die bis ins Jahr 2080 reichenden Plandaten sehen vor, über vier Jahrzehnte lang per anno 35 bis 45 Millionen Jahrestonnen Braunkohle abzubauen.

Dieser sogenannte Aufschluß erfordert die Umsiedlung von 7.600 Menschen. Im Jahr 2006 soll damit begonnen werden. Die Grünen wollen dieses „Wahnsinnsprojekt“, wie Michael Vesper es nennt, auf jeden Fall stoppen. Die SPD hat sich mit großer Mehrheit genau für das Gegenteil entschieden. Zur Zeit werden pro Jahr etwa 85 Millionen Tonnen Braunkohle verstromt. Fest steht, daß die genehmigten und auch von den Grünen akzeptierten Tagebaue in Hambach und Inden stattliche Lagervorräte bieten, die bis über das Jahr 2040 hinaus eine Jahresfördermenge von 70 Millionen Tonnen zuließen. Das heißt: Vierfünftel des heute in der Region erzeugten Braunkohlestroms könnte es auch ohne Garzweiler II geben. Der Rest ließe sich durch Erhöhung der Energieproduktivität und Ausweitung von Energiesparmaßnahmen leicht einsparen.

Viel mehr Kohle statt Kindergartenplätze

Was die Grünen hier inhaltlich vortragen, wird von vielen Energiewirtschaftlern gedeckt. Die grüne Forderung sei energiepolitisch vernünftig und klimapolitisch geboten. Selbst führende Sozialdemokraten, wie der stellvertretende Landesvorsitzende Christoph Zöpel, halten Garzweiler II für überflüssig. Doch die Braunkohlelobby ist stark. So hat der Vorsitzende der Gewerkschaft IGBE, Hans Berger, bereits eine Große Koalition in Düsseldorf gefordert, um das „Unheil“ abzuwenden. Hier eine Wende zu vollziehen, dürfte der SPD am allerschwersten fallen. Deshalb stellt dieser Konflikt das größte Hindernis für Rot-Grün dar.

Doch auch die Grünen stehen unter immensem Druck. Das Faxgerät im Düsseldorfer Landtag läutet seit Sonntag fast ununterbrochen. Alle möglichen Bürgerinitiativen klagen nun politische Handlungen ein. Hier soll die neue Koalition eine Müllverbrennungsanlage, dort eine Straße und an anderer Stelle den Flughafenausbau verhindern. Ein ganzes Minenfeld wartet da auf die grüne Verhandlungskommission, der neben den Landtagsabgeordneten Michael Vesper, Bärbel Höhn, Marianne Hürten, Manfred Busch und Daniel Kreutz die beiden LandessprecherInnen Barbara Steffens und Reiner Priggen sowie aus dem Bundestag Christa Nickels angehören. Zündstoff bietet auch eine Reihe der geforderten Sofortmaßnahmen: So wird die SPD mit Sicherheit nicht dem Verlangen nach sofortiger Schließung der Abschiebeknäste nachgeben, und auch die Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz ab dem 1. 1. 1996 wird an den Finanzen scheitern. Mit den von den Grünen im Sofortprogramm aufgeführten 400 Millionen Mark läßt sich dies auf keinen Fall realisieren. Nach den Berechnungen der früheren jugendpolitischen Sprecherin der Grünen im Landtag, Beate Scheffler, würde allein dieses Programm statt 400 Millionen Mark mindestens 3,1 Milliarden Mark kosten. Scheffler hat am Montag die Partei verlassen und sich der SPD angeschlossen, weil die Mehrheit der NRW-Grünen sich „einen links-dogmatischen Landesverband mit realpolitischem Mäntelchen wünscht“. Nun, die Verhandlungen werden zeigen, ob Scheffler irrt.

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