„Auf deutsch gesagt die Nase voll“

■ Wirtschaftssenator Jäger sieht sich als Opfer der schlechten Presse-Berichterstattung

„Sie fragen mich nach meinem Terminkalender, dabei ist ihre Kernfrage: Warum sitzen Sie eigentlich noch hier auf diesem Stuhl - das ist doch eine Unverfrorenheit.“ Wütend brach Wirtschaftssenator Claus Jäger das geplante Interview mit der taz ab. „Das muß ich nicht haben, ich bin in einer Situation, da kann ich darauf pfeifen. Ich habe auf deutsch gesagt die Nase voll.“

Bereitwillig hatte Jäger zuvor aus seinem schwarzen Terminkalender vorgelesen: Montag: Bonn, Regulierungsrat im Zusammenhang mit der Privatisierung der Post. Dienstag: Schirmherr eines Space-Kongresses. „Dort werde ich Grußworte sprechen.“ Ebenfalls am Dienstag: Senat. „Ich glaube, wir werden keine Vorlage haben.“ Ansonsten stehen noch ein Richtfest beim ersten Bauabschnitt der Passage Bürgerweide sowie ein Gespräch mit dem Gewerbe- und Handelsverein im Kalender. Repräsenationspflichten, Routineaufgaben, die die Wirtschaftsverwaltung ohne einen Senator genauso erledigen könnte. Das war's. Was kann ein Wirtschaftssenator, der abgewählt wurde und der auch im Senat mit den Kollegen kaum noch reden kann, noch bewegen, was regieren?

Die Frage nach dem Rücktritt des Wirtschaftssenators stellte sich schon am Wahlabend. Doch davon will Claus Jäger nichts hören. „Ich weiß nicht, woher Sie die Berechtigung für diese Frage nehmen“, sagt er. An Rücktritt denkt er nicht: „Wir haben eine Legislaturperiode und eine Aufgabe, die dauert so lange bis neue Senatoren gewählt sind. Das gilt für jedermann. Das gilt für Herrn Trüpel, das gilt für Herrn Wedemeier, das gilt für Herrn van Nispen, das gilt für Herrn Gärtner...“ Im Eifer des Gefechts übersieht der Noch-Wirtschaftssenator, daß Trüpel und Gärtner keine „Herren“ sind.

Auf die taz hat der Wirtschaftssenator einen besonderen Rochus: „Ihnen ist es gelungen, die FDP wegzuschreiben.“ Deshalb will er nicht mehr antworten: „Ich habe die Nase voll, den Grünen über die taz eine Plattform zu geben, um uns in infamer Weise anzupinkeln“.

An dieser Konstellation ist Jägers Meinung nach auch das schlechte Wahlergebnis der FDP schuld. „Piepmatzaffäre“, das Wort bringt ihn auch heute noch jedes Mal in Rage. Daß die Wähler die „Piepmatzäffäre“ anders beurteilt haben könnten als Jäger selbst, das will er nicht hören. „Die Wähler wissen nur das, was in den Medien verbreitet wird.“ Die Presse ist schuld.

Daß die Grünen trotz „Piepmatzaffäre“ soviele Stimmen bekommen haben, läge am eingeschränkten Urteilsvermögen der Wähler.

Daß Innensenator Friedrich van Nispen sein parteiinternes Verhalten als „Zumutung“ bezeichnet hatte, macht den Wirtschaftssenator nicht nachdenklich. Den Senatskollegen van Nispen hätten, so erklärt sich Jäger den Parteiaustritt, die Sorgen um die Senatoren-Pension geplagt.

„Selbstverständlich macht man Fehler“, räumt Jäger ein. Welche? Diese Frage muß man mehrfach stellen, um eine Antwort zu erhalten. Sein einziges Versagen kann Jäger nur darin erkennen: „Als Fehler muß ich eingestehen, daß es mir nicht gelungen ist, die Brücke zu schlagen von meinem fachlichen, inhaltlichen Engagement zu der Akzeptanz der Bürger.“ Also wieder die Presse.

Die Forderung des grünen Wahlgewinners Arendt Hindriksen nach seinem Rücktritt macht ihn wütend. Der Grüne meinte: „Ein Senator ohne jeglichen politischen Rückhalt sollte sein Amt unverzüglich zur Verfügung stellen.“ Rücktritt? „Diesen Gefallen tue ich ihnen nicht und diesen anderen Schreibern auch nicht.“ KS