piwik no script img

Keiner will das Bauernopfer sein

Skandal um Deutsche Tourismuszentrale: Führungskraft reichte Klage gegen Vorsitzende ein  ■ Von Andreas Zumach

Genf/Frankfurt/New York (taz) Die beiden Vorsitzenden der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), Hans-Jakob Kruse und Günther Colonius, haben der für „positive Imagewerbung“ im Ausland zuständigen Organisation zwei weitere kostenträchtige Prozesse eingehandelt. Gestern reichte der ehemalige stellvertretende Leiter der New Yorker DZT-Filiale, Fred Gross, über seinen Frankfurter Anwalt Klage ein. Die Klage richtet sich gegen seine Suspendierung und die Androhung der Kündigung durch die beiden Vorsitzenden.

Vor einem New Yorker Gericht wird Gross den DZT-Vorstand auf Schadensersatz wegen Rufschädigung verklagen. Gross ist seit 25 Jahren im Tourismusgeschäft tätig und seit 1985 bei der DZT beschäftigt. Mit dieser Klage erhöht sich die Zahl der Prozesse, die die DZT mit heutigen und ehemaligen MitarbeiterInnen führt, auf elf. Bevor Colonius 1993 die Vorstandsverantwortung für Personalfragen übernahm, gab es in den 25 Jahren davor ganze zwei Verfahren.

Die diversen Skandale der DZT sind heute morgen in Bonn Thema einer Krisensitzung, zu der Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt kurzfristig die Obleute der Bundestagsfraktionen im Ausschuß für Fernverkehr und Tourismus eingeladen hat. An dieser Sitzung soll auch der DZT-Verwaltungsratsvorsitzende Kaub teilnehmen.

Der DZT-Vorstandsvorsitzende Kruse und der für Personalfragen zuständige Colonius hatten Suspendierung und Kündigung von Gross damit begründet, er habe seit Januar 1994 von den rechtsextremen und antisemitischen Aktivitäten der Mitarbeiterin Elke Berg in der New Yorker Filiale gewußt. Er habe aber den Vorstand in Frankfurt nicht unterrichtet. Berg war vergangene Woche entlassen worden.

Colonius und Kruse selbst waren im Fall Berg völlig untätig geblieben, obwohl ihnen spätestens seit Sommer 1994 durch die Klageschrift einer anderen Mitarbeiterin der New Yorker Filiale eindeutige Hinweise auf die Gesinnung von Berg vorlagen. Laut einer Aktennotiz an Gross will Colonius bei Gesprächen in der New Yorker Filiale Ende vergangener Woche von einer Abteilungsleiterbesprechung vor einigen Monaten erfahren haben, auf der Gross „rechtsradikale Tendenzen“ des Ehemanns von Berg erwähnt habe.

Von den fünf in Colonius' Aktennotiz aufgeführten Teilnehmern der angeblichen Abteilungsleiterbesprechung bestätigte auf Anfrage der taz lediglich die Buchhalterin Helga Seiberth, daß diese Sitzung überhaupt stattgefunden habe. Colonius hatte im Beisein des New Yorker Filialleiters Knut Hänschke ein Gespräch mit Helga Seiberth geführt. Mehrere MitarbeiterInnen sowohl der New Yorker DZT-Filiale wie der Frankfurter Zentrale äußerten unterdessen gegenüber der taz den Verdacht, Seiberth sei möglicherweise unter Hinweis auf frühere Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung zu bestimmten Aussagen veranlaßt worden. Diese Unregelmäßigkeiten waren in der New Yorker Filiale zwar bekannt, sie waren aber bislang nicht untersucht worden.

Der Betriebsrat der DZT widersprach gestern der Kündigung von Gross. In einem Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit warf Gross seinem Arbeitgeber inzwischen Geldverschwendung und mangelnde Professionalität vor. Die Organisation mit einem Jahresetat von derzeit 45 Millionen Mark wird zu 85 Prozent über das Bundeswirtschaftsministerium finanziert. „Mit der Hälfte des Geldes“, so Gross, „kann man das Doppelte bewirken.“ Laut Gross hat die DZT allein durch eine jüngst eingestellte erfolglose Kampagne „Dialog mit den Deutschen“ 1,2 Millionen Mark sinnlos verschleudert. Gross forderte einen völligen Neuanfang: „Der Laden ist so morsch, da hilft auch ein Eimer Farbe nicht.“

Doch trotz der anhaltenden DZT-Affären drängt der zuständige Ministerialdirigent im Bundeswirtschaftsministerium, Ulrich Geissendörfer, die Koalitionsabgeordneten im Haushaltsausschuß, eine Anfang April verfügte „qualifizierte“ Haushaltssperre von vier Millionen Mark im Jahresetat 1995 von insgesamt 45 Millionen Mark wieder aufzuheben. Dieses Thema wird auch die heutige Krisensitzung in Bonn beschäftigen. Die Sperre war auf Antrag von SPD und Bündnis 90/ Grüne verfügt worden wegen zahlreicher Hinweise auf finanzielle Unregelmäßigkeiten bei der DZT.

Zugleich beauftragte der Haushaltsausschuß den Bundesrechnungshof mit einer Überprüfung der Organisation. Der taz liegen inzwischen zahlreiche Informationen und Dokumente aus der Frankfurter Zentrale über Manipulationen bei Finanz- und Personalentscheidungen seit Mitte der 80er Jahre vor. Sie beziehen sich unter anderem auf die Einstellung des ehemaligen Mitarbeiters des Wirtschaftsministeriums, Colonius, bei der DZT im Jahre 1986, seinen Aufstieg in den Vorstand sowie seine Besoldung. 1992 hatten die Leiter von 22 Auslandsfilialen der DZT auf einer Klausurtagung in Deutschland Colonius schriftlich ihr Mißtrauen ausgedrückt – ohne Konsequenzen. Maßgeblich verwickelt in die Manipulationen war der auf eigenen Wunsch vorzeitig als DZT-Verwaltungsratsvorsitzender ausgeschiedene Hemjö Klein, heute Mitglied des Lufthansa-Vorstandes.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen