Unter den Jusos sind keine Enkel in Sicht

■ Bundeskongreß erörtert Perspektive

Bonn (taz) – Der prominenteste Ex-Juso fehlt trotz Einladung: Parteichef Rudolf Scharping wird nicht erleben, wie der SPD-Nachwuchs von Freitag an in Gera um die seit Jahren wichtigste Richtungsentscheidung ringt.

Bei der Wahl des neuen Bundesvorsitzenden stimmen die rund 350 Delegierten des Juso-Bundeskongresses über den Einfluß des Nachwuchsverbandes auf die Mutterpartei und damit über die politische Wirkung der eigenen Arbeit ab. Keiner der vier Kandidaten um den Vorsitz des rund 130.000 Mitglieder zählenden Verbandes kommt an der traurigen Tatsache vorbei, daß die bundespolitische Bedeutung der Jusos in den vergangenen Jahren rapide zurückgegangen ist.

Das Fernbleiben Scharpings ist bezeichnend für das gestörte Verhältnis von Jusos und SPD: Nach dem Asylkompromiß erklärten Juso-Hardliner führende Sozialdemokraten zu „Faschisten“. SPD- Geschäftsführer Günter Verheugen sah sich beim Juso-Bundeskongreß im vergangenen Jahr offenem Haß ausgesetzt.

Die Zeiten sind vorbei, da die Jusos als Schrecken des Bürgertums agierten, die eigene Partei auf Trab hielten und deren fähigste Nachwuchskräfte stellten. Für Schlagzeilen in Medien sorgten Spitzen-Jusos im vergangenen Jahr nur mit Lachnummern (Mischlingshund „Lobo“) und peinlichen Patzern im Wahlkampf. Auf die praktische und programmatische Arbeit der eigenen Partei nahmen sie kaum Einfluß. Während in der Union junge Reformer aus den Landtagsfraktionen mit schwarz-grünen Signalen die politische Farbenlehre durcheinanderwirbeln, gähnt in der SPD nach den heute fast 50jährigen „Enkeln“ ein großes Generationsloch: Parteichef Scharping ist mit 47 Jahren einer der jüngsten SPD-Spitzenpolitiker.

Um so mehr müßte die langsam vergreisende Partei den Dialog mit dem Nachwuchs suchen. Aber der „Umgang der SPD-Enkel“ mit den Jusos, so klagt deren noch amtierender Chef Thomas Westphal vom Stamokap-Flügel, ist gekennzeichnet durch „Arroganz, Flegelhaftigkeit und Zynismus“.

Unzufrieden mit der Partei ist auch Stephan Grüger, Westphals aussichtsreicher Konkurrent im Kampf um den Vorsitz. Der „undogmatische Reformsozialist“ aus Düsseldorf wirft Westphal vor, er habe die Sprachlosigkeit durch Verweigerung von Kommunikation und exzessive Kritik selbst provoziert und die Jungsozialisten damit in die Isolation getrieben. Aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ will der 29jährige Grüger den Verband wieder herausführen.

Die „undogmatischen Reformsozialisten“, die etwa 100 von 350 Delegierten stellen dürften, kritisieren das Werben Westphals für ein Reformbündnis mit der PDS und die von ihm vorangetriebene „Kampagnenorientierung“ des Verbandes. Tatsächlich will Westphal für den politischen und gesellschaftlichen Wandel außerhalb der SPD „Gegenmacht“ organisieren – ein Projekt, das in den Augen seiner Kritiker bislang viel Geld kostete und bislang keine Erfolge zeitigte. Hans Monath