„Schade, er hat eigentlich niemandem was getan“

■ Nach dem Kinkel-Rückzug: Dollar und Opposition im Aufwind / Reaktionen schwanken zwischen Häme und Mitleid / Nachfolgedebatte schon im Gang

Bonn (taz) – Die Nachricht vom Ende der Parteikarriere Klaus Kinkels hat der Opposition in Bonn und dem Dollar auf dem Frankfurter Devisenmarkt gestern nachmittag mächtig Auftrieb gegeben. „Es wird spannend in Bonn“, kommentierte der bündnisgrüne Fraktionssprecher Joschka Fischer das Ansteigen des Bonner Wechselfiebers vier Tage nach den Landtagswahlen von Nordrhein- Westfalen und Bremen. Auch die Frankfurter Devisenhändler werteten Kinkels Rückzug offensichtlich als Schwächung der Regierung: Der Dollar legte gegenüber der Mark nachbörslich um fast zwei Pfennig zu. Koalitionsvertreter bemühten sich, die Auswirkungen der FDP-Krise auf die Stabilität ihrer Regierung herunterzuspielen: „Die Koalition steht“, erklärte CDU-Generalsekretär Peter Hintze. Der Kanzler würdigte Kinkels Parteikarriere: „Mit großem persönlichem Einsatz hat er sich der Verantwortung gestellt und damit bei der letzten Bundestagswahl zum Erfolg dieser Koalition beigetragen. Dafür danke ich ihm.“

Joschka Fischer und SPD-Chef Rudolf Scharping sehen den Kanzler aber angeschlagen: „Das Fundament der Regierung Kohl wird mürbe“, erklärte Fischer. Scharping prophezeite: „Das wird der FDP nicht mehr auf die Beine helfen und der Koalition auch nicht.“

Respekt vor Kinkels Schritt zeigte nicht nur dessen Regierungspartner wie etwa Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU). „Er mußte eine Suppe auslöffeln, die er nur zum Teil persönlich angerührt hatte“, sagte auch Fischer. Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) meinte kurz und knapp: „Schade, er hat eigentlich niemandem was getan.“

Kinkels langjähriger Erzrivale Jürgen Möllemann schloß zumindest nicht aus, daß er selbst sich auf dem FDP-Parteitag Anfang Juni in Mainz um die Rückkehr in die Führungsmannschaft der angeschlagenen Partei bemühen werde. Der Parteitag von Mainz müsse eine „Formation“ finden, mit der die Partei wieder handlungsfähig werde.

Die Opposition gibt ohnehin keinem der potentiellen Nachfolgekandidaten eine Chance, die Liberalen dauerhaft zu stabilisieren: Die Wahl des baden-württembergischen FDP-Chefs Walter Döring, so Joschka Fischer, bedeute nur, das Leiden zu verlängern. Döring selbst stritt Ambitionen ab und verwies auf den hessischen Landesvorsitzenden Wolfgang Gerhardt. Für den Fall, daß die Mainzer Delegierten der FDP sich für Gerhardt entscheiden sollten, empfahl Fischer gestern schon vorsorglich: „Dann gute Nacht, FDP!“ Hans Monath