■ Gastkommentar
: Rotgrün oder Opposition

Es ist soweit, die Bremer SPD muß springen. Die große Koalition in der SPD ist zerbrochen. Und die Entscheidung über die Koalition in der Bürgerschaft wird zu einer Entscheidung über die Zukunft der SPD. Jetzt haben es die Mitglieder in der Hand. Ihnen bleibt nur noch die Alternative zwischen einem rot-grünen Bündnis (mit allen Risiken) und dem Untergang in den Armen der CDU.

Die politische Entwicklung in der Stadt und in der Republik hat die Entscheidung für die SPD vorsortiert. An der Seite der CDU im Senat wird die SPD nicht etwa den AFB-Flügel wieder einfangen, sondern darüberhinaus auch noch den mit den Grünen bundnisfähigen Teil verlieren – und sich auf diese Weise selbst vollends auf einen Torso reduzieren. In diesem Bündnis wird sich die SPD nicht etwa personell und konzeptionell erneuern, sondern sie wird Stück um Stück aufhören, eine politische Partei zu sein, und zur sterbenden Gefangenen der CDU verkommen.

Wenn keine Wunder passiert, dann wird es vier Jahre später für die Grünen zwar 18 Prozent der Stimmen geben, aber bei der SPD werden weder die Leute noch das Konzept noch die Stimmen sein, um sich aus der Gefangenschaft der CDU zu befreien. Im Gegenteil: Die Partei wird die dritte dramatische Wahlniederlage in Folge zu beklagen haben.

Formal mag ja die schwarz-rote Mehrheit von 74 Stimmen in der Bürgerschaft alle Voraussetzungen für eine energische Sanierungspolitik enthalten. Tatsächlich aber wird die CDU mit ihrem über Jahrzehnte angestauten und weltanschaulich angefeuerten Geltungsdrang auf eine SPD treffen, die sich unter Führung von Henning Scherf täglich beweisen muß, daß es eine sozialdemokratische Begründung für diesen Weg gibt. Das kann in der Sache nicht gut gehen.

Die Sanierungsmilliarden werden von der CDU in demonstrativer Grandezza und geradezu blöder Einfältigkeit in ein paar Straßen und Gewerbegebieten verplempert, und der neue Innensenator wird die Polizei in erfolglosen Schlachten gegen das Verbrechen und ein paar rebellische Jugendliche verheizen. Derweil wird die Fähigkeit der Stadt ruiniert, im Innener einen Ausgleich zu suchen und die auseinanderstrebenden Teile zusammenzuhalten.

Schließlich, wird die große Koalition zur Paralyse der politischen Öffentlichkeit der Stadt beitragen. Niemand aus dem Block der großen Parteien wird es noch nötig haben, vor Ort zu überzeugen, und es wird kaum noch jemanden geben, der große Lust verspüren wird, sich das anzuhören.

Aber, so heißt es aus berufenem Munde, mit zwei Stimmen Vorsprung ist die nötige Entscheidungsfähigkeit eines rot-grünen Bündnisses nicht zu haben. Und diejenigen, die dieses Argument vorbringen, müssen es wissen. Schließlich haben sie die SPD mit ihrer Destabilisierungspolitik in die Falle manövriert, in der sie jetzt zu zerreißen droht. Das Erpressungspotential dieser Hasardeure, denen die SPD egal ist, liegt in der Angst der Partei vor der Oppositionsbank. Deshalb wäre es schlau, wenn die Mitglieder nicht nur beschlössen „Wir machen Rot-grün“, sondern auch „Wer sich von den Genossen in der Bürgerschaft nicht daran hält, fliegt postwendend und ohne langes Palaver aus der Partei“. Der kann bei der AFB eintreten und Nölle und Rebers sollen dann vorführen, was sie gelernt haben. SPD und Grüne machen dann Opposition, hart an der Schwelle zur Macht in einer Stadt, die jeden Abend „Buten und Binnen“ einschaltet, um keine Peinlichkeit der neuen Oberhäupter zu verpassen. Keine schlechten Voraussetzungen, um die Bürger bei nächster Gelegenheit mit einer klaren Alternative zu überzeugen.

Robert Bücking