Zusammenrücken oder metzeln?

■ UB Ost: Saftige Ohrfeigen für Kröning, warme Worte für Wedemeier

Großer Auflauf der Partei-Prominenz am Donnerstagabend bei der Delegiertenversammlung des größten SPD-Unterbezirks, des UB Ost. Selbst Klaus Wedemeier saß am Tisch seines Ortsvereins, ganz in sich gekehrt. Beste Gelegenheit also für eine Aussprache der Basis mit den MandatsträgerInnen. Doch die Basis kritisierte nur abstrakt (die Parteireform sei steckengeblieben), Rücktrittsforderungen blieben ganz aus. Da war die Landesvorsitzende Tine Wischer vor. Die beschwor die Delegierten, die Kräfte konstruktiv zu bündeln.

Doch als der Bundestagsabgeordnete Volker Kröning die Bühne erklimmt, sind die GenossInnen nicht mehr zu halten. Kröning tritt zunächst den Spekulationen entgegen, er interessiere sich für den Bürgermeisterposten: Er habe ja am Dienstag mit Jochen Vogel geredet, und der habe ihm nicht geraten zu kandidieren. „Ooch“, kommt es spöttisch von den GenossInnen. Den freundlichen Nachruf auf Wedemeier kommentiert eine Genossin hinter vorgehaltener Hand so: „Unglaublich, diese Männersolidarität in der Niederlage, na klar, kostet ja nichts mehr“ – Kröning hat 1993 Wedemeier vom Thron stoßen wollen.

Damit nicht genug des Spotts. „Ist die AfB denn nicht ein Teil von uns...“ fragt Kröning. Die GenossInnen lassen ihn nicht ausreden, „nein“, rufen sie. „Laßt uns das Begonnene fortführen...“, sagt Kröning, „nein“, die GenossInnen. Doch es kommt noch ärger: Werner Blinda vom Ortsverein Schwachhausen-Südost kündigt Krönung für künftige Wahlkämpfe jegliche Unterstützung auf: Kröning habe bei jeder Gelegenheit ins AfB-Feuer geblasen. (Am Freitag, einen Tag nach der Delegiertenversammlung, gibt Kröning dann bekannt, daß er als Bürgermeisterkandidat nicht zur Verfügung stehe.)

Claus Dittbrenner kommt lieber jeder Kritik selbst zuvor: Er, der Fraktionsvorsitzende, übernehme die Verantwortung, daß wegen der Auseinandersetzungen mit den Abweichlern in der Fraktion die „Sache“ nicht ausreichend vorangebracht worden sei. Einer personellen Änderung an der Fraktionsspitze werde er nicht entgegenstehen. (Es heißt, daß Dittbrenner auf den Posten des Bürgerschaftspräsidenten spekuliert).

Doch Dittbrenner hat auch Kritik an Senat und Partei: Das Gute, das man mit Klaus Wedemeier erreicht habe, sei nicht richtig im Bewußtsein der Bürger verankert worden – zum Beispiel, was die Selbständigkeit Bremens konkret für den einzelnen Bürger eigentlich bedeute. Und wie viele hätten noch immer nicht verstanden, warum für Teerhofbrücke und Klangbogen Geld da sei, nicht aber für Schulen.

Unsinn, das sei doch kein Vermittlungspro-blem gewesen, kontert der selbsternannte Grundsatzreferent Heinz-Gerd Hofschen, sondern ein inhaltliches Problem. „Wir sind nicht mehr die Partei der sozialen Gerechtigkeit.“ Eine inhaltliche Erneuerung fordert auch SPD-Neuling Peter Sörgel, Betriebsratsvorsitzender der Bremer Stahlwerke: Man müsse sich viel mehr um Schulen, Schwimmbäder und Kulturhäuser kümmern. Weit kommt er allerdings nicht in seiner Rede an die „Kollegen und KollegInnen“ – vier Minuten sind eben zu kurz für den Hauptredner so mancher Gewerkschaftsveranstaltung.

Kaum ist die selbstkritische Diskussion in Gang gekommen, wird sie schon wieder abgewürgt: Umarmungsspezialist Henning Scherf tritt auf. Der bislang einzige offizielle Bürgermeisterkandidat faltet die Hände, als er die GenossInnen eindringlich mahnt, doch pfleglich miteinander umzugehen. Das Personal sei knapp.

Von solch Umarmungen völlig unbeeindruckt bleibt jedoch Finanzsenator Manfred Fluß: Statt kritiklos zusammenzurücken müsse man sich jetzt mit der Verantwortung Einzelner, zum Beispiel der Senatoren, auseinandersetzen. (Die GenossInnen klopfen ausdauernd). Und, gegen Dittbrenner: Man habe sich nicht schlecht verkauft, „sondern vieles haben wir versucht besser zu verkaufen, als es ist.“ Der als Bürgermeisterkandidat für eine Rot-Schwarz-Koalition Gehandelte prophezeit sozusagen Blut, Schweiß und Tränen, nämlich eine harte Sparpolitik. Dann, endlich, nach rund 25 RednerInnen, Klaus Wedemeier. Jetzt holt sich keiner mehr Bockwurst mit Kartoffelsalat. Wedemeier, dem zuvor vom UB-Vorsitzendem Grotheer innig gedankt worden ist, teilt aus: Man könne doch auch mal einen Osterurlaub absagen, wenn ein Wahlkampf anstünde, sagt er und meint Fluß, der sich in Italien vergnügt hat. Und süffisant zu Scherf, der zuvor dringlich um einen Gegenkandidaten bei der Mitgliederbefragung gebeten hat: „Wir besorgen Dir schon noch einen Konkurrenten, Henning. Der Henning hat nämlich Angst, daß nur 30 Prozent wählen gehen.“ (Am Samstag berät der Landesvorstand über die Mitgliederbefragung am 11. Juni und mögliche KandidatInnen. Grobecker denkt angeblich ganz konkret über eine Kandidatur nach.) Wedemeier, nun ganz gelöst, gibt den GenossInnen noch ein Betthupferl mit auf den Weg: Vielleicht mache er als einfacher Abgeordneter weiter. „Souverän“ findet das das Publikum und fühlt sich nun doch nicht mehr gar so verlassen von allen guten Geistern. Derart gestärkt verläßt man fast fluchtartig das Bürgerhaus Vahr – obwohl noch vier weitere Redner warten. cis