„Diese grausligen Liga-Begleiterscheinungen“

■ Uwe Spies über seine Ernennung zum Ehrenspielführer der Bunten Liga Freiburg

Uwe Spies (27), Student, Stürmer und Kapitän des SC Freiburg, gilt den „anderen“ Fußballfreunden als Vorbild des „anderen“ Fußballers. Morgen abend ernennt ihn die Bunte Liga Freiburg zu ihrem Ehrenspielführer, was als einzigartige und im deutschen Fußball nie dagewesene Würdigung des Menschen und Fußballers Spies verstanden werden darf.

taz: Herr Spies, was bedeutet die Ernennung zum Ehrenspielführer?

Uwe Spies: Was das bedeutet? Daß ich eine Dankesrede halten muß. Manche sagen ja, ich wäre ein Grübler auf dem Platz, einer, der, wenn der Weg zum Tor weit offen ist, lieber noch zwei Kreisel dreht, um den Ball einem Kollegen aufzulegen, statt ihn selber einfach reinzuhauen. Ein „Strafraummelancholiker“ hab ich kürzlich irgendwo gelesen. Aber ich sag Ihnen: Lieber lauf ich am Samstag nachmittag gegen Dortmund dreimal alleine von der Mittellinie mit dem Ball aufs Tor zu, als eine Dreiminutenrede halten zu müssen. Seine Zähne soll man ja drei Minuten lang putzen. Haben Sie das schon mal probiert? Eine Ewigkeit ist das, ich glaube noch nicht mal, daß ich das je geschafft habe.

Also stimmt das mit dem Melancholiker, wenn Sie nicht nur auf dem Weg zum Tor, sondern schon beim Gedanken ans Zähneputzen ins Grübeln geraten?

Also erstens habe ich im Verlauf dieser Spielzeit, wenn die Statistiken nicht lügen, zwölfmal ins Tor getroffen, und zweitens: Mach ich jetzt gerade den größten Blödsinn aller Zeiten mit oder nicht!? Ehrenspielführer der Bunten Liga! Haben Sie je von einem größeren Unsinn gehört?

Warum tun Sie es dann?

Genau deshalb. Weil es das gibt, jenseits des Profigeschäfts: Ein paar Jungs – rund 300 sollen es hier in der Stadt sein –, die so eine Spaßliga aufziehen. Und wenn sie mal ein Glas Wein zuviel getrunken haben, so einen Blödsinn aushecken. Einfach nur, um ihren Spaß zu haben. Und dabei noch diesen Medienrummel, den Starkult, diese ganzen grausligen Begleiterscheinungen der Bundesliga ein bißchen auf die Schippe zu nehmen.

Das Ganze wird jetzt wieder den Mythos vom anderen Freiburg nähren. Auch so eine Medieninszenierung, die ihnen angeblich mächtig stinken soll.

Ja, stimmt schon. Aber, ehrlich gesagt, darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht – womit zumindest in diesem Punkt die Theorie vom ewigen Grübler widerlegt ist.

Sie sind der erste Ehrenspielführer einer Bunten Liga, in Aachen ist der Papst Ehrenmitglied ...

Das habe ich auch etwas irritiert zur Kenntnis genommen. Bei der Politik, die der betreibt: gegen Schwule, gegen Verhütung – ist ja nicht das, was jemandem, und schon gar nicht bei Alternativkickern, zu Ehren gereichen sollte. Außerdem: Hat der überhaupt eine Ahnung vom Kicken?

Sie lenken ab ...

Überhaupt nicht. Aber von der Bunten Liga Freiburg habe ich als letzte öffentliche Aktion mitgekriegt, daß sie, als es diese ganzen rassistischen Angriffe gegen Ausländer gab, ein Fest gemacht haben unter dem Motto: „Kein Ball für Rechtsaußen“. Daß ich da voll dahinterstehe, brauche ich wohl nicht lange zu erklären – und keineswegs deshalb weil ich die „11“ auf dem Rücken trage und alle Bälle selber haben will.

Sie haben schon in Freiburg gekickt, als kaum einer vom Sport Club geredet hat. Sie müßten wissen, was nun eigentlich passiert ist in den letzten zwei, drei Jahren.

Gute Frage, wirklich. Vor allem diese unglaubliche Begeisterung in der Stadt, gerade auch im letzten Jahr, als wir andauernd verloren haben. Schön gespielt, gestürmt und doch verloren – selbst das hat den Leuten offensichtlich irgendwie Spaß gemacht. Aber was dahintersteckt, ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht wird man es mal verstehen, wenn es wieder ganz anders geworden ist. Und das wird kommen, davon bin ich überzeugt, soviel Skeptiker bin ich noch. Interview: Uli Fuchs