Was ist los mit dem studentischen Nachwuchs?

■ Die Beteiligung an universitären Gremienwahlen liegt zwischen 5 und 20 Prozent

Maike Schmid lächelt entschuldigend: „Ich weiß gar nicht, worum es geht.“ Hendrik Brüggemann ist ehrlich: „Das ist nicht in meinem aktuellen Bewußtsein.“ Gabriella Magyar wundert sich über sich selbst: „Stimmt, wenn es die Leute in meiner Umgebung tun würden, würde ich es auch tun. Die tun es aber nicht.“ Typische Stimmen von Studierenden der Heidelberger Universität, eingefangen in der Mensa, zwei Monate vor den alljährlichen „Gremienwahlen“ im Juni. Keine aggressiv vorgetragenen Argumente gegen die Wahl, kein Debattieren über Sinn und Unsinn der bescheidenen studentischen Mitbestimmungsrechte, statt dessen freundliches Desinteresse und die Versicherung: „Vielleicht informiere ich mich dieses Mal und wähle dann auch.“

Obwohl es darum geht, die studentischen Vertreter in die universitären Verwaltungsorgane zu senden, sind das Wissen über die Wahl und das Interesse daran mäßig. Das ist nichts Neues, denn die studentische Wahlbeteiligung sinkt seit den siebziger Jahren. Wenn die Studenten aufgerufen sind, ihre Mitbestimmungsrechte wahrzunehmen, dann machen in Hamburg sechzehn Prozent davon Gebrauch, in Halle sind es fünf Prozent, in Bonn zwanzig und in Leipzig wie auch in Heidelberg etwa zehn Prozent. Lange Gesichter bei denen, die sich an den Hochschulen politisch engagieren. Was ist bloß los mit dem akademischen Nachwuchs?

Die Studentin Funda Kücükoglan von der Fachschaftskonferenz sitzt bereits das zweite Jahr im Senat, dem entscheidenden Gremium der Heidelberger „Ruperto Carola“. Sie glaubt, den Grund für die studentische Wahllethargie zu kennen: „Viele denken, daß sie sowieso nichts bewirken können, weil die Mitsprachemöglichkeiten so gering sind. Deshalb gehen sie gar nicht wählen und informieren sich auch nicht bei den studentischen Hochschulgruppen. Aber das bißchen, was uns an Mitbestimmung zugestanden wird, können und müssen wir nutzen.“ Das meint auch Malte Leyhausen: „Je mehr die Wahlbeteiligung in den Keller geht, um so eher werden die ohnehin geringen Mitbestimmungsrechte noch weiter beschnitten, weil es dann heißt, die wollen ja gar nicht mitentscheiden.“

Wie aber sollen Studenten mitentscheiden, wenn die Professoren in allen Verwaltungsorganen die Mehrheit stellen und die studentischen Vertreter kein Vetorecht haben? Mit Raffinesse, sagt Funda Kücükoglan. Denn auch unter den Professoren herrscht nicht immer friedliche Einigkeit. Auch Kontroversen sind möglich – und die können entfacht werden. „Da wir vor den monatlichen Sitzungen die Unterlagen zugeschickt bekommen, können wir vorab Gespräche führen“, beschreibt die Studentenvertreterin die Chance zur Einflußnahme. „Und manchmal kann man eben doch etwas anstoßen.“

Aber noch ein weiterer Grund scheint die Studierenden in Heidelberg davon abzuschrecken, die eigenen Partizipationschancen zu nutzen: das vermeintlich komplizierte Wahlverfahren. Für Wahlleiterin Birgit Schotten, die für die über 30.000 immatrikulierten Studenten mittlerweile nur noch 5.000 Wahlzettel drucken läßt, ist das nicht nachvollziehbar. „Auch wenn die Unterlagen umfangreich aussehen, ist das Wählen letztlich ganz einfach.“

Gewählt wird standesgemäß. Studierende wählen Studierende, Profs wählen Profs, der Mittelbau wählt seine Vertreter genauso wie die „Sonstigen“ (Verwaltungsangestellte). Die Kandidaten finden sich meist in Listen zusammen. In der Wahlgruppe „Studierende“ sind das die FSK (Fachschaftskonferenz), die Juso-Hochschulgruppe, der Rote Splitter, der RCDS (Ring Christlich-Demokratischer Studenten) und die LHG (Liberale).

Am Wahltag selbst besteht die einzige Herausforderung darin, in das richtige von vier Wahllokalen zu gehen und auf den Stimmzettel Kreuze zu machen. Das sollte eigentlich für jeden ans wissenschaftliche Arbeiten gewöhnten Studenten ein Klacks sein. Sonja Striegl