„Rechtsliberalismus gescheitert“

■ Der frühere Bundestagsabgeordnete und Altliberale Gerhart Baum fordert eine programmatische Erneuerung seiner Partei

taz: Herr Baum, wen wünschen Sie sich denn als neuen Parteivorsitzenden?

Gerhart Baum: Ich würde mir Leute vorstellen, die leider keine Mehrheit haben. Frau Leutheusser-Schnarrenberger zum Beispiel.

Und was ist mit Wolfgang Gerhardt?

Ich habe Fragen an Wolfgang Gerhardt, bevor ich entscheide, ob ich ihm meine Stimme gebe. Ich möchte wissen, wie er die FDP positioniert: Ob er bereit ist, aus der Verengung herauszukommen und für eine liberale Partei einzutreten, die auf allen Feldern der Politik konsequent ihr Profil zur Geltung bringt und mit liberaler Wert- und Lebenshaltung Zukunftsthemen aufgreift. Ich möchte sein Konzept kennenlernen.

Er ist ja nicht gerade ein Vertreter der sozialliberalen Richtung.

Nein. Aber es wäre ja schon wichtig, wenn jemand die verschiedenen Strömungen des Liberalismus wieder zusammenführt.

Stimmen Sie Frau Hamm-Brücher zu, daß nach Kinkel auch Fraktionschef Solms seinen Hut nehmen müßte?

Nein. Solms hat sich gerade nach dem Geraer Parteitag bemüht, das Profil der Fraktion in der Koalition stärker zur Geltung zu bringen. Das muß allerdings jetzt verstärkt werden. Ich erwartete von Solms, daß er dies auch in Fragen der inneren Liberalität und des Umweltschutzes tut.

Was sagen Sie zu den anderen Präsidiumsmitgliedern?

Ich will mich jetzt in keine Personaldebatte begeben, weil ich seit langem der Meinung bin, daß es mit dem Auswechseln von Personen nicht getan ist. Die Partei braucht eine programmatische und politische Erneuerung, das ist das eigentlich wichtige. Daran wollen wir auch in dem „Freiburger Kreis“ mitwirken. Wir wollen uns deutlich von den Grünen abgrenzen, die einen Teil unserer Wähler gewonnen haben, aber keine konsequent liberale Partei sind.

Der „Freiburger Kreis“ will in Mainz der liberalen Politik eine neue Richtung geben. Wieso glauben Sie, dafür in der FDP noch eine Mehrheit holen zu können?

Was wir im Kern dort sagen, ist in großen Teilen das Wahlprogramm der FDP. Das aber leider nicht konsequent vertreten wird. Weder in der Koalition noch gegenüber der Öffentlichkeit. Wir meinen in der Tat, daß in Mainz entschieden werden muß, ob die FDP eine eher rechtsliberale, konservative Kraft wird mit einer dezidiert auf den sogenannten Mittelstand verengten Politik, mit einer Politik auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit, die sich eher der Union annähert, und mit dem Ziel, einen rückwärtsgewandten Nationalstaat wiederzubeleben. Dieser Weg hat bei den letzten Landtagswahlen deutliche Niederlagen erlitten. Das ist kein Erfolgsrezept, und das ist auch nicht die liberale Partei, in die ich mal eingetreten bin.

Die FDP kann — wenn überhaupt – zur Zeit doch nur rechts Stimmen abschöpfen, aber nicht im linken Spektrum.

Wie schon gesagt, damit ist die Partei gescheitert. Für eine wirklich überzeugende liberale Partei gibt es immer eine Existenzberechtigung, aber nicht für ein Anhängsel im rechten Lager. Will man als Zwilling mit der Union konkurrieren, die selbst mit Geißler und anderen dabei ist, ihr Spektrum zu erweitern?

Die FDP könnte nach rechts gehen, zum Beispiel in Richtung Rainer Zitelmann und Alexander von Stahl.

Das wäre dann keine liberale Partei mehr. Interview: Karin Nink