Ohne Kiefersperre

■ Neues über Bremer Brechmittelpraxis

Der Leiter des Instituts für Klinische Pharmakologie im ZKH St.-Jürgen, Peter Schönhöfer, hat sich die „Dokumentation“ des Antirassismus-Büros über den Einsatz von Brechmitteln durch den Polizeiarzt näher angeschaut. Er bestätigte jetzt, daß durch das Brechmittel Ipecacuanha mehrfaches episodische Nacherbrechen für 3-6 Stunden ausgelöst werden kann, außerdem Durchfall bis zu 48 Stunden sowie Blutbeimengung zu Stuhl oder Erbrochenem.

„Problematisch“ sei die Anwendung von Ipecacuanha unter diesen Umständen: Bei bewußtseinsgetrübten Personen (Junkies) bestehe die Gefahr der Einatmung von Erbrochenem in die Lunge, was schwere Lungenentzündungen hervorrufen könne. Bei starkem Erbrechen könnten Austrocknungen mit Kreislaufkollapps auftreten. Solche Folgen seien aber in der „Dokumentation“ nicht geschildert.

Rein medizinisch sieht Schönhöfer keinen Nutzen der Behandlung, wohl aber Risiken. Zum kriminaltaktischen Nutzen könne er natürlich nichts sagen. Schönhöfer weist aber die Entscheidungsträger „auf die sehr seltenen, aber möglicherweise gravierenden Folgezustände des medikamentös ausgelösten Erbrechens“ hin.

Auch Michael Birkholz, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin, unter dessen Obhut seit Januar die Brechmittelvergabe abläuft, weist darauf hin, daß er als Arzt nur für die Sorgfalt der Ausführung verantwortlich sei, nicht für deren Anordnung. Und die Ausführung sei jetzt in Bremen „vorbildlich“. Mittlerweile nämlich werde die Prozedur in einem Raum mit Notfallausrüstung durchgeführt; der Beschuldigte werde zum Beispiel auf Bewußtseinstrübung untersucht und Kreislaufstabilität; Magensonden oder Kiefersperren würden nicht mehr benutzt; und der Patient werde auch nicht unmittelbar auf die Straße entlassen, sondern nachuntersucht.

Mittlerweile hat der Leitende Oberstaatsanwalt Bremens seine Verfügung neu gefaßt: Der Verdacht des Verschluckens von Drogen-Päckchen müsse eindeutig sein, betont er. cis