„Ein Gefühl wie in einem Roman von Kafka“

■ Răzvan Ungureanu (26), Historiker an der Universität der nordostrumänischen Stadt Iași, über seine „besonderen“ Erfahrungen mit dem rumänischen Informationsdienst (SRI)

taz: Herr Ungureanu, am 14. März dieses Jahres hat der SRI offiziell zugegeben, Sie bespitzelt zu haben. Das ist einmalig, sowohl in der Geschichte des SRI seit 1990 als auch in der Geschichte seines Vorgängers, der Securitate. Was genau hat sich da abgespielt?

Răzvan Ungureanu: Am 6. September 1994 rief mich ein gewisser Chirilă an und bat mich unter falschem Vorwand um ein Treffen außerhalb meiner Wohnung. Er berief sich auf einen Bekannten aus München, von dem ich gerade einige wissenschaftliche Materialien erwartete. Deshalb schöpfte ich keinen Verdacht und traf mich mit diesem Herrn Chirilă. Er stellte sich als Major des SRI vor und erzählte mir, daß im Gepäck eines Ausländers in Bukarest geheime Notizen gefunden worden seien, in denen sich Angaben über mich befunden hätten. Er fügte hinzu, dieser Ausländer besitze mehr Informationen über mich, als der SRI in der Akte über mich habe. Durch diese Anspielung erfuhr ich, daß der SRI über mich eine Akte angelegt hatte. Weiter sagte Chirilă, dieser Ausländer stehe im Verdacht, für einen ausländischen Geheimdienst zu arbeiten, für den ich nun mutmaßlich selbst angeworben werden solle. Ich fühlte mich wie in einem Roman von Kafka – Chirilă wußte genau über meine Kontakte mit ungarischen, englischen, deutschen und israelischen Wissenschaftlern Bescheid, darüber, wann ich im Ausland gewesen war, und daß ich gerade eine Reise nach Deutschland vorbereitete.

Der SRI warf Ihnen eine „antirumänische“ Einstellung vor, weil Sie zahlreiche Arbeiten über die Geschichte der Juden und anderer Minderheiten in der Moldau publiziert haben...

Ja, das stellte sich beim zweiten Treffen heraus, dem ich stattgegeben hatte, weil ich mehr herausfinden wollte über das, was der SRI mit mir vorhatte. Chirilă sagte mir, wir jungen Historiker entmystifizierten die Geschichte und wühlten dort, wo wir nicht dürften. Ich solle vermeiden, störende Einzelheiten über Rumänien in meinen Arbeiten zu erwähnen. Man werde sich von meinem Patriotismus überzeugen, indem man mich längere Zeit beobachte. Außerdem wäre ich verpflichtet, nur solche Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, die dem SRI paßten. Nach diesem zweiten und letzten Treffen bekamen meine Frau, meine Eltern und ich anonyme Anrufe. Die Anrufer nannten mich Verräter und Mörder. Meine Post ins Ausland kam nicht mehr an. Chirilă rief mich noch mehrmals an, aber ich sagte ihm, er solle mich in Ruhe lassen.

Warum hat der SRI zugegeben, Sie beobachtet zu haben?

Eine Erklärung bietet vielleicht diese absolut einmalige Stellungnahme des SRI. Sie wurde herausgegeben, nachdem auf meine Bitte hin die Parlamentskommission für die Kontrolle der Geheimdienste eine Anfrage an den SRI gerichtet hatte. Ich habe mich vorher nicht an die Presse gewandt, sie hat erst über meinen Fall geschrieben, nachdem die Stellungnahme kam. Darin heißt es wörtlich, das Motiv für die Aktion sei gewesen, mich vor möglichen Verwicklungen in Aktivitäten zu schützen, die sich gegen die Interessen Rumäniens richteten. Mit anderen Worten, der SRI betrachtet mich, eine unbedeutende Person, als Gefahr für die nationale Sicherheit. Weiter heißt es, solche Aktionen seien übliche Praxis, nur die Art und Weise, wie sie durchgeführt worden seien, habe nicht Methoden und Geist des SRI entsprochen. Und der betreffende Offizier habe sich sogar innerhalb der Institution des Machtmißbrauchs schuldig gemacht.

Sie sehen also die Existenz dieses Dokumentes nicht als Fortschritt gegenüber der bisherigen Praxis des SRI an?

Ich habe nichts in der Hand, was mir zeigt, daß der SRI sich geändert hat. Alles, was ich habe, ist diese Stellungnahme. Und darin findet sich nicht mal eine Entschuldigung. Es ist die alte Mentalität. Das Gespräch führte

Keno Verseck, Bukarest