Öko-Essen in Massen

■ Bremer Kantinen auf Umweltkurs: Der Wille ist da, Öko-Produkte in Mengen nicht

Auf dem Speiseplan der Waller Betriebskantine „Himmel und Erde“ zieren kleine Sternchen mindestens ein Menü des Tages: „Speisen mit Gemüse und Fleisch aus kontrolliert biologischem Anbau“, erklärt sich dieser Zusatz weiter unten. In den Bremer Kantinen und Großküchen gehört das zur Ausnahme: „Hier gibt es nur wenige Ansätze, ökologisch erzeugte Produkte zu verwenden“, sagt Jutta Draub-Ketelaar vom „Verein Sozialökologie“, der die Tagung „Kantine auf Umweltkurs“ in den letzten beiden Tagen mitveranstaltet hat. Rund 50 KüchenchefInnen und EinkaufsleiterInnen aus Krankenhäusern, Betrieben, Kindertagesheimen und Mensen waren gekommen und bewiesen das große Interesse, denn: „Nach all den Schlagzeilen um Rinderwahnsinn, Schweinepest oder genmanipulierte Lebensmittel können sich Großküchen nicht mehr vor dem Einsatz ökologisch angebauter Produkte verschließen“, ist sich Joachim Himmelskamp, Großküchenchef und Sprecher der „Arbeitsgemeinschaft Bremer Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen“, sicher.

Vor wenigen Jahren noch galt das Schwarz-Weiß-Muster der unwilligen KöchInnen, denen das Preisargument über alles ging und die den VerbraucherInnen deshalb die gute Kost verweigerten. Mit einer sehr viel breiteren Akzeptanz von Öko-Produkten, die auch vor Großküchenchefs nicht haltgemacht hat, tun sich mittlerweile aber ganz andere Probleme auf. „Das Verständnis der Tischgäste für kleinere Fleischportionen oder etwas erhöhte Preise muß oftmals erst geweckt werden“, so Himmelskamp. Und für seinen Kollegen Horst Rüdebusch, der täglich 2.500 Essen am Tag für die Angestellten der Deutschen Airbus zaubert, ist der höhere Preis für Ökoprodukte auch kein Hindernis – „das kann man durch eine Mischkalkulation auffangen“ – ihm machen vielmehr die Lieferanten Probleme: „Die Lieferung großer Mengen ist denen oft nicht möglich. Und wenn es Öko-Erbsen geben soll, dann muß es die auch für alle unsere Gäste geben.“ Zudem ist die Airbus-Kantine aus Personalmangel darauf angewiesen, vorgefertigte Produkte wie bereits in Streifen geschnittenen Rotkohl zu verarbeiten. Das gibt es auf Öko-Basis fast nie, ebensowenig wie Öko-Tiefkühlkost.

Mit Gurken, die zu krumm, und Roter Bete, die zu klein für die Schälmaschine war, mußten sich auch die Küchenhilfen in der Mensa der Uni Oldenburg herumschlagen. Damals, vor 12 Jahren, als die Idee zur Umstellung auf kontrolliert biologisch angebaute Produkte aufkam. Mittlerweile verwurstet die Oldenburger Mensa sog. Neulandfleisch, 35 Prozent der täglich 800 Kilo verarbeitetem Frischgemüse stammen aus ökologischem Landbau, alle 50.000 jährlich verbrauchten Eier aus artgerechter Tierhaltung. Diesen Schilderungen der voll auf Umweltkurs gegangenen Einkaufsleiterin des Oldenburger Studentenwerkes, Doris Senf, lauschten die Bremer Kantinenchefs mit dem deutlich verzweifelten „Wie soll ich das bloß schaffen?“-Gesichtsausdruck. Dazu Senf: „Wir haben auch mit ganz kleinen Schritten angefangen und uns das in 12 Jahren erarbeitet.“ Und kein Dogma daraus gemacht: „Bayrisch Creme ist die reine Chemie, aber alle lieben es – und deshalb gibt es das bei uns genauso wie Krakauer mit Pommes.“

Obwohl die in Oldenburg verwendeten Öko-Produkte bis zu 100 Prozent teurer sind als die „normalen“, wirtschaftet das Studentenwerk mit gleichgebliebenem Budget – und es funktioniert. Diese Erfahrungen machte auch Jürgen Wille, Leiter der Speisenversorgung der städtischen Kliniken in Osnabrück. Der Tip beider Fachleute: Kostenreduzierung, um das Ersparte in den Öko-Einkauf zu stecken. Das heißt in der Praxis: Obst und Gemüse gibt–s nur zur entsprechenden Jahreszeit. Die Alternative lautet Tiefkühlkost. Der Fleischanteil im Essen, von ErnährungswissenschaftlerInnen sowieso als zu hoch kritisiert, wird reduziert und mehr fleischlose Gerichte angeboten. Und zum Schluß der Tagung waren sich alle einig: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“. skai