Werders Siegestrompeten

■ Mehr Qualität statt Sportsgeist: Das Festival der „Trompetenakademie Werder“ bietet diesmal Hector Berlioz' Requiem, Klassik für Blechbläser sowie eine lange Jazznacht

Nachdem die Manager von Werder Bremen ihr Herz für's Theater entdeckt haben, was wohl eher dem Theater als dem Fußballverein etwas nützt, steigen sie in eine weitere Außenaktivität sogar namentlich ein: die „Trompetenakademie Werder“ stellte in einer Pressekonferenz das diesjährige Festival vor (vom 26. Juni bis 2. Juli). Wie auchbei den vergangenen Trompetentagen der Schwerpunkt eher auf sportähnlichen als auf künstlerischen Hochleistungen lag, so präsentierte der Leiter der Akademie Otto Sauter auch dieses Programm als „bombastisch“, als „Top“-Ereignis und dergleichen mehr. Die Behauptung, es handele sich um „einzigartige“ Programme nimmt sich da schon fast bescheiden aus. Wer näher hinsieht, kann da im Einzelnen dann doch ganz qualitätvolle Konzerte entdecken. Dazu gehört ein Barockkonzert mit Aufführungen wiedergefundener Werke; eine Jazznacht im Lichthaus mit den Trompetern Lew Soloff, Ack van Rooyen und Ingolf Burkhard, bei der dann auch die Big Band Bremen unter der Leitung von Bob Lanese auftritt. Für Blechbläserfans gibt's dann noch ein Konzert des Nederlands Koper Ensemble mit Klassikbearbeitungen und einer „Welturaufführung“ (im Unterschied zu einer Uraufführung wohl): Reinhold Selen schrieb für das zwanzigköpfige Ensemble „Abendlieder der Neuzeit“.

Für Sauter ist das alles jetzt schon „fantastisch“ und „weltweit“. Da nimmt sich Domkantor Wolfgang Helbichs nur inhaltliche und zurückhaltende Aussage fast schon befremdlich aus. Der nämlich wird Hector Berlioz' Requiem, die „Grande Messe de Morts“ op. 5, aufführen und dabei den Aufwand eines Riesenchores samt vier Fernorchestern nicht zu Klangvolumen und Lautstärke, sondern zur Differenzierung und Bildung spezifischer Klangfarben nutzen.

Hoffentlich läßt sich das alles unter einen Hut bingen. Denn tatsächlich hat die Trompetenakademie als Alternative zum letztjährigen Open-Air-Konzert im Weserstadion sich dieses Mal mit Berlioz für eine künstlerisch überzeugende und aufregende Alternative entschieden. Das „ungeheuerliche, riesenhafte Werk“ (Heinrich Heine) ist in Norddeutschland noch nie gespielt worden. Neben dem Domchor sind der Rigaer Kammerchor, die Kammer-Sinfonie Bremen, die Trompetenakademie, die Royal Academy London und das Orchestra Academy Toyama beteiligt.

Hoffentlich kein schlechtes Omen, denn Wolfgang Helbich könnte mit dieser Aufführung seine zwanzigjährige Tätigkeit in Bremen beenden: Noch immer hat er sich nicht entschieden, ob er das Saarbrücker Professorenangebot annehmen wird – weil er eben hier bleiben will. Aber in der Kirchenleitung ist man weder willens noch in der Lage, einmal dem gestiegenen Marktwert des Domkantors auch Rechnung zu tragen, noch fällige Konsequenzen daraus zu ziehen, was Helbich hier in zwanzig Jahren aufgebaut hat. Es ist kaum zu fassen, aber typisch bremisch und schon öfter so gewesen: Prägende Kapazitäten hier zu halten, will einfach nicht gelingen.

Dafür bleibt uns die Trompetenakademie als dauerhafte Einrichtung erhalten. Die Einnahmen des Festivals sollen helfen, den seit vergangenen Oktober existierenden Ausbildungsbetrieb zu finanzieren: 60 bis 70 junge SpitzentrompeterInnen werden zum Weiterstudium in Bremen erwartet. Die sechs Dozenten bieten die ganze Bandbreite heutigen Trompetenspiels vom Jazz bis zur Klassik.

Finanziert wird das Festival von einer breiten Allianz. Die Vorständler Helmut Euler und Franz Böhmert nannten dabei zwar die Sponsoren ganz groß – die Bremer Landesbank, dann Beck's und Zechbau –, aber über Summen will man nichts Genaueres sagen. Über einen Zuschuß der Wirtschaftsförderung wird noch verhandelt.

Ute Schalz-Laurenze