Scharmützel auf'm Bau

■ Weidedamm: „Demoralisierend“ findet der Baustellenleiter die Störungen durch BesetzerInnen, die wiederum ärgern sich über die „KZ-Zäune“.

Ein hoher Stahlzaun umgibt die Baucontainer an der Hemmstraße. Ein junger Mann in schwarzer Survival-Weste und Springerstiefeln, mit Sender im Ohr und Schlagstock am Gürtel öffnet das Tor. Die BauarbeiterInnen kennt er, unbekannte BesucherInnen, zum Beispiel der Zigarettenautomaten-Aufsteller, müssen glaubhaft ihr Anliegen vortragen. Zweifelt der Wachmann, fragt er den Chef. „Wieso soll der rein, eben hieß es noch keiner kommt mehr rein.“

Die Stimmung auf der Baustelle „Weidedamm“ ist gereizt. Tag und Nacht kontrollieren private Wachleute das insgesamt 28 Hektar große Gelände, am liebsten mit einem der Wachhunde. Mulmig ist ihnen zumute. „Der ruhige Anschein trügt“, sagt Frank Gaida, Einsatzleiter der Sicherheitstruppe. Er späht über die Mondlandschaft. Nur noch wenige grüne Oasen aus Obstbäumen und Sträuchern zeugen von der ehemals ökologischen Vielfalt des Kleingartengeländes. Aber hinter jedem Baum, aus jedem der kleinen Gärten, kann einer der Weidedamm-BewohnerInnen kommen.

So wie letzte Woche, als ein Bewohner seine Speer-Sammlung auf Gaida geschleudert habe. Oder vor drei Wochen, als ein anderer mit Steinen auf einen Bagger geworfen und den Fahrer verletzt habe. „Der hat ganz feist gegrinst und ein Haus mit allen Sachen drin plattgemacht“, sagt Ole, der in einem der letzten Häuschen und Wohnwagen im Südzipfel des Weidedamms wohnt. Ihn und viele seiner MitbewohnerInnen regen die „Securities“ auf. Wie die schon aussehen, mit ihren Uniformen! Im Januar bereits hätten die sich an den Habseligkeiten der Weidedämmler bereichert, sagt Ole, neulich hätten sie versucht, zwei Hunde von ihnen zu verkaufen. Ole kann sich über die Wachmänner in Rage reden.

Mehr noch beschäftigt ihn und Olaf aber die Frage, wohin sie nach dem 1. Oktober ziehen sollen. Dann werden die Räumungstrupps auch in dem kleinen Südzipfel die Häuser einreißen und die wilden Gärten einebnen. „Die Leute hier sind alle ohne Perspektive“, sagt Olaf, da gingen schon mal die Nerven durch. Und wenn dann abends einige zuviel getrunken haben, fliegen die leeren Flaschen auch gegen den Baucontainer am Gartenrand.

Drinnen hocken auf sechs Quadratmetern die Wachleute, Wut nur mühsam unterdrückend. „Ich sag' meinen Leuten immer wieder: Keine Provokationen von unserer Seite“, sagt Frank Gaida. Er kennt die Probleme der BewohnerInnen, trägt ihnen hier einen Eimer Wasser nachhause, verbindet dort eine Wunde vom Holzhacken. „Das ist schon fast Sozialarbeit, was wir hier machen“, meint er, weiß aber auch keinen Rat für die unterschiedlichen Gruppen in den Parzellen. Die von der Gewoba eingesetzten SozialarbeiterInnen seien jedenfalls nie erschienen. Und das Sozialressort biete auch keine Alternativen. „Wenn die Menschen hier sich wenigstens ändern wollten“, überlegt Gaida. Aber die AlkoholikerInnen wollten weiter saufen, die WagenbewohnerInnen weiter in den alten Gefährten hausen. Der drahtige Sicherheitsmann weiß nicht weiter.

Für die rund 150 Menschen gibt es noch eine einzige Wasserstelle. „Das ist doch die reine Schikane“, meinen die BewohnerInnen und sind ihrerseits wütend auf den Baustellenleiter. „Wie die sich schon hinter den Zäunen verschanzen", sagt ein junger Mann, der mit den „Alkis und Drogis nichts zu tun hat“. Auch er weiß noch nicht wohin, nur, daß er auf keinen Fall in eine Wohnung ziehen will. „Ich sehe mein Leben hier als Protest gegen die Industrie- und Ausbeutergesellschaft“, sagt er, guckt an seiner alten Bundeswehrhose herunter.

„Jedes Wochenende kommen noch mehr hierher, aus Bremen, Hamburg und sonstwoher“, meint Gaida. Manche, vermutet er, wollen vielleicht nur in die Sommerfrische gehen. „Aber genau die sind das Problem“, sagt Baustellenleiter E. „Die kennen die Abmachungen zwischen uns und den anderen nicht und sind gewaltbereit“. Diese Zugereisten werden von den Alteingesessenen für die immer wieder abgefackelten Parzellenhäuser verantwortlich gemacht. „Erst kommen die Kids aus der Stadt und saufen hier, dann zünden sie ein Haus an“, sagt Holger. ufo