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Der Traum ist aus, das Spiel beginnt

■ Das Liz-Theater zeigt „Leb wohl, Judas“ von Ireneusz Iredynski an einem wunderbar magischen Theaterspielort: auf einem lichten Dachboden in Pankow

Das Abendlicht fällt mild durch die Ritzen der Dachpfannen. In das Halbdunkel zwischen Holzbalken ragt ein weiß getünchter Kamin, der sich nach oben verjüngt, dahinter eine halbhohe Wand mit Nische und Tür. Sie versperrt den Blick in die andere Hälfte des Raumes. Ein Dachboden in Pankow, ein wunderbarer Theaterort. Hier, zwei Stockwerke über dem Gemeindesaal der Hoffnungskirche, spielt das Liz-Theater. Zwei Schatten tauchen auf, der eine setzt sich auf die Matratze in der Nische, der andere stellt sich darüber ins Gebälk. Das Licht geht an, und aus ist der Traum: Das Spiel beginnt.

Einer, der Judas heißt, ist der Held der Parabel. Der Name beinhaltet Zwangsläufigkeit, das Stigma des potentiellen Verräters. Dagegen wehrt sich Judas zunächst durch doppelte Gradlinigkeit. Er, der Untergrundkämpfer für irgendeine Sache – wahrscheinlich eine politische, aber klar gesagt wird das nie –, hat seine Mitstreiter selbst unter der Folter nicht preisgegeben. Doch sie beschuldigen ihn des Verrats und wollen ihn liquidieren.

Seiner Sache abtrünnig wird der gedankenschwere Zweifler erst durch die Zuneigung zu einem Mädchen. Deren verkorkstes, kleines Leben steht im krassen Gegensatz zu den hohen ethischen Werten. An diesem Zwiespalt scheitert Judas. Die durch Verrat erkaufte Liebe kann er nicht ausleben. „Man darf nicht zu den einfachen Dingen Zuflucht nehmen“, sagt er, bevor er sich aufhängt.

Ireneusz Iredynskis Diskurs ist existentialistisches Thesentheater pur. 1965, im sozialistischen Polen, war solch zweiflerisches Philosophieren über den Widerstreit von Theorie und Praxis sicherlich relevant. Heute ist eine Eins-zu-eins- Abbildung nur noch intellektuelle Spielerei. Aber Erkärungen gibt das Liz-Theater nicht. Zu sehen sind zwei Schritte nach rechts, zwei Schritte nach links, viel Grübeln und wichtige Sätze, zu sehen sind (viel zu junge) Schauspieler, die sich durch ihre Rollen mühen. Nur die abgehackten Bewegungen des verstörten Straßenmädchens (Ricke Eckermann) lassen ahnen, daß hinter all den Bedeutungen auch ein bißchen Leben stecken könnte.

Die ziemlich einfallslose Regie (Peter Lange) setzt auf Realismus, was schon allein aufgrund der Physis der DarstellerInnen schwer aufgehen kann. So regiert das Klischee, Schlapphut und Trench machen den foltererprobten Kommissar. Und der magische Dachboden verkommt zur kaum genutzten Originalkulisse. Gerd Hartmann

Wieder am 26./27.5. und 2.–4.6., 20 Uhr, Theaterdachboden, Elsa- Brandström-Straße 36, Pankow

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