Böser Fehlstart für Rot-Grün

Friesischer Poltergeist mit knapper Mehrheit neuer SPD-Fraktionschef in NRW / Der Intimfeind der Grünen will nun doch Rot-Grün / Dilettantisches Vorgehen der Parteispitze  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Keiner wollte ihn: die vier mächtigen Bezirkschefs ebenso wenig wie die meisten Minister und Landesvorstandsmitglieder. Doch Klaus Matthiesen lehrte die SPD-Parteiführung in Nordrheinwestfalen Mores. Mit 54 gegen 49 Stimmen hängte der 54jährige seinen blassen Konkurrenten Franz- Josef Kniola im Kampf um die Fraktionsspitze am Mittwoch einfach ab.

Hinterher lächelten zwar auch die unterlegenen Strippenzieher, aber unter dem Siegel der Verschwiegenheit gestand so mancher seine Wut über das „dilettantische Management der Oberstrategen“ in der Parteispitze. Vom „schlimmsten Fehlstart, den man sich vorstellen kann“, war die Rede.

Während der zaudernde Kniola – erst hatte er Matthiesen unterstützt, um dann auf Drängen von oben doch noch gegen ihn anzutreten – nun weiter Verkehrsminister bleiben darf, legte Matthiesen sein Amt als Umweltminister noch am Mittwoch nieder. Seit dem für die SPD so bitteren Wahlabend hatte der von Johannes Raus 1983 aus Kiel abgeworbene schleswig-holsteinische SPD-Oppositionsführer sich ganz auf den parteiinternen Wahlkampf konzentriert; er hatte sich als einer empfohlen, der die Identität der SPD im Bündnis mit den Grünen wahren und weitere Verluste verhindern kann. Daß er den Profilierungspart besser als Kniola spielen kann, räumten vor der Wahl selbst seine Gegner ein. Wahrscheinlich gab dieses Zutrauen den Ausschlag für die knappe Mehrheit. Aber läßt sich mit Matthiesen, der noch vor kurzem Rot-Grün als „großes Verhängnis“ für Nordrhein-Westfalen bezeichnet hat, ein sicheres Fundament für eine Koalition gießen?

In seiner Rede vor der Fraktion ging Matthiesen geschickt auf diese Ängste ein. Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit „wird es schwer für uns alle. Wir alle müssen umdenken, Konsequenzen ziehen und Wunden heilen.“ Er habe durch seinen Verzicht auf das Umweltministerium „eine Hürde für das, was ansteht“, beseitigt. Er sei bereit, „loyale Kärrnerarbeit“ zu leisten. Mit Blick auf die mögliche rot-grüne Koalition fuhr Matthiesen fort: „Meine Bereitschaft zur Kandidatur für den Fraktionsvorsitz ist deshalb auch ein Signal für das Gelingen.“ So zog Matthiesen auch viele Rot-Grün-Anhänger unter den 105 anwesenden SPD- Abgeordneten auf seine Seite. Allen werde nun Kompromißfähigkeit abverlangt, aber auf einen Punkt müsse die SPD besonders achten: „Das Vertrauen der Industriearbeiterschaft und unserer Bergleute darf nicht erschüttert werden.“ Das dürfte vor allem beim Braunkohletagebau-Projekt Garzweiler II schwerfallen. Nicht zuletzt auf Druck von Matthiesen hat hier die SPD-Landesregierung die energie- und umweltpolitischen Weichen kurz vor der Wahl so falsch gestellt, daß die Grünen auf diesen Zug definitiv nicht aufspringen können. Matthiesen gefiel sich darin, den Bergleuten wider alle Vernunft nach dem Munde zu reden. Sollte es ihm jetzt gelingen, für Garzweiler II eine tragfähige Lösung herbeizuführen, dann könnte er tatsächlich den von einigen erwarteten „Flankenschutz“ für das neue Bündnis bieten.

Kommenden Mittwoch beginnt der Ernstfall. Als Fraktionsvorsitzender gehört Matthiesen zur SPD-Verhandlungsführung, und da wird sich zeigen, ob mit ihm neue Wege zu beschreiten sind.