Auf Du und Du mit dem Bahn-Gepäckservice
: Koffer reisen jetzt auf der Straße

■ Ab morgen kein Gepäckschalter mehr

Ein Fahrrad ist vermutlich das letzte Gepäckstück, was bei Alfred Waldeck aufgegeben wurde. Er arbeitet beim Gepäckservice im Hauptbahnhof, und der wird am Sonntag endgültig dicht gemacht. Bis gestern konnte man seinen Koffer noch im Bahnhof loswerden. Damit ist jetzt Schluß. „Das Aufkommen war einfach nicht mehr danach“, so Waldeck.

Ab sofort muß jeder den „Haus-zu-Haus-Service“, der bereits seit dem 1. November 1994 angeboten wurde, nutzen – ob er will oder nicht. Viele wollen angesichts vieler Pannen und hoher Preise anscheinend lieber nicht. „Daß die Abholung zu Anfang nicht so klappte, war klar, und eine 24 Stunden-Zustellung garantieren die jetzt auch nicht mehr“, sagt Alfred Waldeck.

„Die“, das ist der EMS-Kurierdienst, der im Auftrag der Bahn das Gepäck transportiert. Und zwar größtenteils auf der Straße. Über genaue Zahlen schweigen sich Bahn und EMS EMS aus. Sie bestätigen aber, daß „ein bedeutender Teil der Transporte per LKW läuft“.

Wer den neuen Dienst in Anspruch nehmen will, ruft eine Servicenummer (0180-3320520) an, und am nächsten Tag wird der Koffer abgeholt und am Ziel zugestellt. Theoretisch klingt das nicht schlecht. Doch leider kommt es oft zu Ärger, weil die Servicenummer besetzt ist oder weil angegebene Abholtermine nicht eingehalten werden. Das Ganze kostet dann 28 Mark egal ob's klappt oder nicht. Ein stolzer Preis, wenn man bedenkt, daß es früher 17 Mark gekostet hat.

Ein besonderes Ärgenis für Reisegruppen sind die fehlenden Rabatte. Egal ob der Kurier einen oder zehn Koffer abholen muß, der Preis ist immer gleich. Das kann dann schnell ins Geld gehen. Nach einer Meldung des „Deutschen Sonntagsblatt“ hat eine Reisegruppe aus Wiesbaden lieber für eine Woche einen Kleintransporter gemietet, anstatt die Bahn in Anspruch zu nehmen. Das war nämlich 1.800 Mark billiger. Die Bahn dazu lapidar: „Man kann über eine Rabatteinführung nachdenken“.

Die Probleme mit zu langen Laufzeiten hält die Bahn für gelöst. Burkhart Ahlert, Bahnsprecher für den Bereich Niedersachsen/Bremen, dazu: „Anfangs gab es Kapazitätsprobleme, wir haben darauf aber schnell reagiert und jetzt klappt die Beförderung bei 98 Prozent des Gepäcks.“

Die SPD-Fraktion im Bundestag hält die Probleme dagegen für nicht gelöst. Ihr sind mittlerweile 200 Beschwerden, über zum Teil eklatante Pannen zu Ohren gekommen. In einer Erklärung fordert sie deshalb, daß „der alte Zustand wieder hergestellt werden muß.“ Es sei insbesondere ArbeitnehmerInnen nicht zuzumuten, sich zwei halbe Tage frei zunehmen, nur um ihre Koffer aufzugeben.

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