Demagogie der Gemütlichkeit

■ Neu im Kino:“Es lebe unsere DDR“- 40 Jahre realexistierender Sozialismus, eine Selbstdarstellung in Propagandafilmen

Eigentlich müßte dieser Film ja „Die DDR-Rolle“ heißen, aber die Kompilationsfilme sind schon vor einigen Jahren wieder aus der Mode gekommen, und so beruft sich der Nachzügler Thomas Hausner bei seinem Film möglichst wenig auf diese Tradition. Nach dem immer noch unübertroffen bösen „Atomic Cafe“ von Kevin Rafferty gab es eine ganze Reihe von Filmemachern, die die Archive plünderten und möglichst lächerliche Filmausschnitte aus den 50er und 60er Jahren zu den sogenannten Rollen zusammenschnitten. So amüsierte sich das deutsche Kinopublikum über Oswald Kolle, das Twist-tanzen oder Nierentische und war schnell überfüttert.

Und auch sonst kommt „Es lebe die DDR“ etwas zu spät. Vor fünf Jahren wären die Deutschen in Ost und West noch viel neugieriger auf diese selbstverräterischen Wochenschau-Filme aus dem real existierenden Sozialismus gewesen. Jetzt wirkt dieser Film aus dem letzten Jahr selber schon seltsam antiquiert.

Dabei sind die gezeigten Ausschnitte aus Wochenschauen und anderen Filmproduktionen der ehemaligen DDR zum großen Teil durchaus erhellend und unterhaltsam. Ein bißchen zu brav und ordentlich zusammengeschnitten – streng chronologisch und mit wenig Gespür für Rhythmus und Spannungsbögen – aber der besondere Stil dieser Propaganda wird in den gut ausgesuchten Beispielen schnell deutlich.

Die Wochenschau der DEFA, „Der Augenzeuge“, von der die meisten Ausschnitte stammen, hatte einen besonderen Tonfall, der sich durch eine demagogische Gemütlichkeit auszeichnete. In kumpelhaft launigem Ton wird da über Polizeirazzien auf dem Schwarzmarkt oder über den Mauerbau geplaudert. Die Wochenschau klingt wie ein gütiger Pappa, der in einem Nebensatz mal Prügel androht, aber viel lieber mit seinen Kindern spielt. „Das Pferdchen ist schön, aber zu der ollen Kanone sagen wir lieber pfui“, werden die kleinsten DDR-Bürger schon im Sandkasten belehrt, und auch sonst fallen in diesem Film immer wieder Sätze, die typisch für strenge, erzdeutsche Väter waren: „Auch damit muß aufgeräumt werden“, „Wir sind gegen diese Lebensweise“, und natürlich fehlen auch nicht die „arbeitsscheuen Elemente.“ Eine Plattenverkäuferin rät zwei jungen Mädchen streng davon ab, Beatmusik zu hören, stattdessen singen russische Soldaten „Kalinka“ und ein Volkssoldat imitiert wunderschön Vogelstimmen.

Diese Mischung aus politischer Botschaft und muffiger Nestwärme verbindet die verschiedenen Ausschnitte: Ob Ulbricht in einem Ferienlager Volleyball spielt, bei einer Modenschau Perlon als Wunder gepriesen wird oder ein langhaariger Künstler in den 70er Jahren schließlich doch den „Beat“ lobt, „dem wir anfangs nicht so recht trauten“ – die Zuschauer wurden wie gute alte Bekannte angesprochen. Die Wochenschau war mit ihrem Publikum sozusagen per Du.

Diese Strategie des ständigen Anbiederns kann man in den Filmbeispielen in immer neuen Formen beobachten, und dies macht den Film letzlich doch sehenswert. Über die angehäuften Peinlichkeiten, vom realsozialistischen Modetanz Lipsi bis zu einer Modenschau auf einem FKK-Badestrand kann man sich nach einiger Zeit aber nicht mehr so recht amüsieren. Das Lachen über die sozialistischen Narreteien ist dann doch bald allzu billig.

Wilfried Hippen

Atlantis tägl. 18.00,

2o.30 Uhr / Sa. auch 23.00 Uhr