„Mit der CDU kein reformerischer Aufbruch“

■ Kandidat Fluß: Vier Jahre mit der CDU, aber „langfristig ist eine Rot-grüne Reformkoalition wünschbar“

Über Herrn Scherf haben Sie gesagt, er sei nicht gerade der „Obersparer“. Sind Sie der Obersparer, der jetzt Bürgermeister werden will?

Ich habe ergänzt, daß es sicher nicht Herrn Scherfs wichtigste Aufgabe war, Obersparer zu sein, aber manchmal hätte ich mir im Senat mehr Unterstützung bei den Einsparmaßnahmen gewünscht.

Sagen Sie doch einmal drei Beispiele, bei denen schon in den letzten vier Jahren hätte erheblich mehr gespart werden müssen.

Wir hätten schneller und stärker die Verwaltungsreform anpacken müssen, aber da ist in den letzten zwölf Monaten eine ganze Menge passiert. Das muß sich fortsetzen, denn wir können nur durch Einsparungen im Personal- und Sachbereich, also im konsumtiven Bereich, wieder Freiräume gewinnen.

Dann wäre es natürlich wichtig gewesen, einige Investitionen früher zu tätigen. Auch so etwas kann sich auszahlen. Wir hätten im Bereich der Gewerbeflächen früher etwas machen müssen, um hier Wirtschaftskraft zu halten.

Sie haben die Verwaltungsreform erwähnt. Soll das bedeuten, die SKP aufzulösen?

Das ist zwar eine populäre Forderung, aber sie ist grundfalsch, denn die SKP ist der Motor für die Verwaltungsreform, SKP und Finanzressort zusammen. Auflösen hieße ja, alles zu dezentralisieren. Ich kann Ihnen leicht vorrechnen, daß die Dezentralisierung zum Beispiel der Gehaltsauszahlungen auf die Ressorts viel teurer würde. Übrigens haben alle Kommunen ein zentrales Personalamt.

Da gibt es ja auch vergleichende Untersuchungen, nach denen die zentrale Personalverwaltung in Bremen ein ganzes Stück teurer ist als in anderen Großstädten. Da werden 28 Stellen genannt. Stimmt das, oder nicht?

Das Teure an der bremischen Personalverwaltung ist – im Vergleich zu anderen Großstädten – ihre Dezentralität. Trotzdem sehe ich zusätzliche Sparpotentiale. 20 bis 30 Stellen möchte ich bei der SKP schon noch einsparen, aber auch in der dezentralen Personalverwaltung sind noch 30-40 Stellen drin. Insgesamt möchte ich auf den Wert von 1 Prozent des gesamten Personaletats kommen.

Sie sind jetzt seit fast einem Jahr zuständig für die SKP. Wieviele Stellen haben Sie eingespart?

Bis Ende 1994 waren es 30 Stellen PEP (Personalentwicklungsprogramm, Anm.d.Red.), und die sind auch voll erbracht worden. 1995 müssen noch 6 Stellen abgebaut werden. Laut PEP liegt heute unser Soll bei 249 Stellen, das Ist bei 231. Die SKP hat also die Sparquoten übererfüllt.

Ein anderer Bereich - der Bildungsbereich. Es gibt den Streit um die Lehrerarbeitszeit. Fordern Sie eine Erhöhung der durchschnittlichen Pflichtstundenzahl?

Die Lehrerarbeitszeit hat zwei Komponenten: Das eine, was Herr Scherf plant, die Lehrerarbeitszeit zu durchleuchten, finde ich einen richtigen Weg, über den wir uns einig sind. Dieser Weg dauert sehr lange, bis er dann allgemein umgesetzt wird, bis dahin haben wir noch etwas aufzuholen. Wir haben hier von allen Bundesländern die beste Lehrer-Schüler-Relation...

Und das soll sich ändern?

... und wir wollen in vielen Standards ins Mittelfeld kommen, und da sind wir bei der Lehrerausstattung noch weit drüber. Gemäß Personalentwicklungsprogramm müßten in diesem Jahr eigentlich noch über 200 Lehrerstellen abgebaut werden, die wir im Bildungshaushalt nämlich nicht finanziert haben.

Würde es angesichts dieses Überhangs etwas bringen, die Pflichtstundenzahl hochzusetzen? Offensichtlich gibt es ja sowieso schon zuviele Lehrerstunden.

Eine Pflichtstundenzahlerhöhung würde den Überhang etwa auf 400 Lehrerstellen erhöhen, wenn jeder Lehrer eine Stunde mehr unterrichten würde, wie es in allen anderen Bundesländern üblich ist. Auf der anderen Seite stehen Personalforderungen von 55 Stellen in diesem Jahr, die Herr Scherf fordert, weil er sagt, „in der Grundschule und in Sonderschulen fehlen Lehrer“. Die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung gibt neue Umverteilungsmöglichkeiten und schafft Freiräume zur Umschulung, Fortbildung und zum Altersrabatt. Im übrigen hat der Bildungssenator Schwierigkeiten, die Versetzungen zu organisieren.

Macht er da etwas falsch?

Ich will ihm nicht in seine Ressortaufgaben hineinreden. Ich denke, das ist auch schwierig, bei der starken Stellung der Personalräte, aber man könnte schon mehr Nachdruck erwarten und die ganze Sache etwas früher anfangen.

Wenn Sie sagen, das durchschnittliche Niveau der Bundesländer in der Versorgung durch öffentliche Dienste muß in Bremen der Höchstlevel sein, heißt das, Bremen darf sich nicht mehr leisten?

Wir können nicht größere Wohltaten an die Bürger geben, wenn wir vom Länderfinanzausgleich oder vom Bund maßgeblich finanziert werden. Ich will Ihnen das Beispiel nennen, das für Bremen nachdenklich machen sollte: Damals war versprochen worden, die Universität mitzufinanzieren. Zehn Jahre hat das geklappt, aber dann haben die übrigen Länder argumentiert: Ihr habt inzwischen bei Lehrpersonal und Studenten viel bessere Relationen, ihr habt niedrigere Studentenwerksbeiträge. Das haben uns Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen gesagt und die Mitfinanzierung eingestellt.

Es liegt nach dem Zerfall der Koalition die Frage des Stadtwerkeverkaufs allein in Ihren Händen. War das nicht ein Präjudiz...

Also, hier keine Legenden, die Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Wirtschaft und Umwelt hat weiter bestanden.

War es politisch geschickt, den Vertrag fertigzumachen in einer Situation, in der eine Mehrheit der SPD allein nicht in Sicht war und man nach den Wahlen darauf angewiesen war, Koalitionen zu schließen, wobei dies womöglich im Wege stehen würde?

Ich hatte auch noch die Hoffnung, daß sich die Sachargumente durchsetzen würden und wir vor der Wahl eine Mehrheit bekommen könnten. Dies war nicht möglich, obwohl auch andere Parteien anerkennen mußten, daß dieser Vertrag vom Preis, von den Konditionen und letztlich auch von den Anbietern optimal war. CDU und F.D.P. haben gedacht, die wollen jetzt noch schnell den Stadtwerke-Vertrag unter Dach und Fach bringen, um dann freie Bahn für eine rot-grüne Koalition zu haben. Und es gab deutliche Signale, daß die Grünen glücklich gewesen wären, wenn die Sache vorher geklappt hätte, allerdings ohne ihre Stimmen.

Jetzt hausieren Sie ja seit einiger Zeit mit dem Argument, das würde Bremen über vier Millionen Mark Zinsen kosten, wenn man den Vertrag nicht ratifiziert...

Das stimmt...

Das hat sich dann hinterher als falsch herausgestellt...

Nee, das haben Sie nicht richtig verstanden. Wenn der Vertrag nicht ratifiziert wird, kostet uns das im Monat 4,3 Millionen Mark Zinsen.

Sie haben versucht, über diese Argumentation politischen Druck für eine Entscheidung zu machen, und das war insofern falsch, als die Zinsen gar nicht anfallen. Der Vertrag kann ja noch im September ratifiziert werden, ohne daß Verzugszinsen anfallen. Haben Sie das bewußt ausgeblendet, um den Druck zu steigern?

Bis Anfang April war der Vertragsentwurf so, daß der Kauf am 1. Juli 1995 stattfinden sollte. Darauf habe ich versucht, den Übergang der Aktien wegen der vorgezogenen Bürgerschaftswahl schon zum 1. Mai hinzukriegen. Sicher sollte damit auch ein gewisser Druck erzeugt werden. Dann ist in den allerletzten Vertragsverhandlungen noch von den Beamten erreicht worden, daß die Zinsen rückwirkend ab 1. Mai übernommen werden gegen Zahlung der Stadtwerkedividende, auch wenn die Entscheidung erst später fällt. Als ich dann die Verträge auf dem Tisch hatte, wurde das deutlich. Damit war zwar ein politischer Druck weg, aber Bremen hat ja damit eine Verbesserung erreicht. Die Versorgungsunternehmen machen eine Verzögerung jedoch nicht unbegrenzt mit, denn sie haben sich eine Option vorbehalten, daß sie täglich eine Zweimonatsfrist in Gang setzen können, bei deren Nichteinhaltung die Zinsen auch nicht übernommen werden, also tatsächlich verloren gehen.

Die Koalition, für die Sie stehen, die Große Koalition, von der sagt Henning Scherf, das sei ein resignatives Projekt, weil er sich nicht vorstellen kann, daß in der Großen Koalition Reformen zustande kommen, die eine Aufbruchstimmung in der Stadt erzeugen. Können Sie sich vorstellen, daß eine Große Koalition so etwas leisten kann?

Ich gebe ihm sogar in Teilen Recht, weil mit der CDU sicher kein reformerischer Aufbruch zu machen ist. Die Frage ist: Was ist für Bremen jetzt das wichtigste? Das ist doch, daß wir unsere Finanzen konsolidieren, Arbeitsplätze schaffen - auch durch Ausweisung von Gewerbegebieten – und Einwohner halten... Dazu sind eine Reihe von unpopulären Maßnahmen nötig, und da glaube ich, daß ein Senat, der sich nur auf 51 Abgeordnete stützen kann, dazu nicht in der Lage sein wird. Unabhängig davon meine ich, daß langfristig eine Rot-grüne Reformkoalition wünschbar ist.

Das heißt, die CDU soll vier Jahre dienen, um später Rot-Grün möglich zu machen?

Die CDU soll für vier Jahre eine Koalition mit uns machen, und hinterher treten wir dann jeder gegen jeden an. Mal sehen, wer dann die Bürger am besten überzeugen kann. Fragen: Dirk Asendorpf