■ ReiseNotiz: First class mit Plüschtier
Nach den Senioren und Singles dürften schon bald die Kinder eine stark umworbene Zielgruppe der Touristikbranche sein. Denn wenn es um den Urlaub geht, dann knausern die Eltern auch nicht bei ihren Jüngsten. Vor allem nicht, wenn sie selber ungestört sein wollen oder müssen. Da ist das beruflich eingespannte Ehepaar, das geschäftlich quer über den Kontinent jettet. Da schenkt die Gattin ihrem Angetrauten eine gemeinsame Kreuzfahrt, um die bröckelnde Ehe zu kitten. Und da wünscht sich der Politiker, daß ihn seine Frau zu einem Kongreß begleitet. Hat da irgend jemand Schuldgefühle, weil die Kinder einfach nicht in den Kram passen? Muß nicht sein. Denn Sohnemann und Töchterchen machen Urlaub und buchen ein paar Tage bei Frau Meier im Siebengebirge. Deren Hotel „Kinderkiste“ für Leute unter zwölf Jahren ist voll trendy. Da ist man unter seinesgleichen, und der Service stimmt: Vollpension, Spielsachen, Süßigkeiten und gegebenenfalls Kleinkindnahrung und Windeln sind im Preis inbegriffen (150 Mark für einen Tagesaufenthalt mit Übernachtung; Wochenpauschale 800 Mark). Mitzubringen wären da nur noch die Kleidung zum Wechseln, die Zahnbürste und das liebgewordene Kuscheltier.
Ihr Zeug zur professionellen Kinderbetreuerin entdeckte Elfi Meier, die ehemalige Journalistin, vor sechs Jahren. Immer wieder gaben Freunde und Bekannte ihre Kinder bei ihr ab. Elfi Meier sah eine Marktlücke und baute ihr Haus kurzerhand in ein Kinderhotel um. Die Konzeption: familiäre Atmosphäre, altersgerechte Ernährung und pädagogische Betreuung. Heute schmeißt sie den Laden zusammen mit einer Erzieherin und einer Hauswirtschafterin. Die Kinder schlafen verteilt auf zwei Zimmer, packen selber im Haushalt mit an („das machen die gerne“) und dürfen das Wohnzimmer in einen Spielplatz verwandeln, wenn sie anschließend wieder aufräumen.
Die meisten Gäste sind zwischen sechs und zwölf Jahre alt. Aber hin und wieder kommen auch jüngere, sogar Ein- und Zweijährige. Dann rotiert Elfi Meier nonstop.
Elfi Meier hat rund 180 Stammgäste. Viele von ihnen kommen aus Bonner Politiker- und Diplomatenfamilien. Sorgen aufgrund des Regierungsumzugs nach Berlin macht sie sich nicht. „Dann hole ich die Kinder halt vom Köln-Bonner Flughafen ab“, meint sie lachend und fühlt sich ihrer Kundschaft sicher. Denn noch betreibt sie nach eigenen Angaben bei steigender Nachfrage das einzige Hotel für Kinder in Deutschland. Nachahmer hat sie bislang erst im Ausland. Nach dem Bonner Vorbild eröffnete kürzlich ein Kinderhotel im niederländischen Maastricht. Frank Gerhard
Kinderkiste, Pfarrer-Wichert-Straße 60, 53639 Königswinter, Tel.: 02244-6851
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen