Klopse

■ Zwei Filme von Ute Dammeyer und Svenja Rossa im Pudels Club

„Ich habe versucht, eine gute Geschichte kaputt zu erzählen“, sagt Svenja Rossa über ihren Film Mützengünther, in dem die Kamera mit pikanter Unbeweglichkeit den Ak-teuren hinterherschaut oder sie auf sich zu kommen läßt, statt ihnen zu folgen. Der Plot schlittert aus einem stringenten Drehbuch-Rahmen wie ein Stück Band aus einer Bandmaschine. In Mützengünther stellt die Titelfigur, gespielt von Rocko Schamoni, dabei passend und zunehmend echauffiert fest, wie auch die kleinsten Begegnungen und Szenen draußen vor der Wohnungstür ihn in zunehmender Derangiertheit als Tropf in die nächste Kameraeinstellung tröpfeln lassen. Er ist ein im Grunde kerniger Underdog, der den Alltag erst als guten Willen begreifen will, dann als zutreffende Vorstellung und schließlich als Übermacht ohne Waffen, als Redner ohne Sprache und als Regierung, die statt Straßenschildern Menschen aufstellt. Svenja Rossa bringt in einem kurzen filmischen Essay ein paar Klopse von Fragen unter.

Ute Dammeyer setzt als Rahmenhandlung ihres Films Rosas und Hellblau die Kulminationspunkte einer Beziehungsgeschichte in die Handlung ein. Dammeyer läßt ihre Darsteller deren gar nicht zahlreichen Sätze so sagen, daß es einem die Rezensenten-Schuhe auszieht. Was die Verfasser des Don Carlos oder des Hamlet aktelang vorbereiteten, um die bekannten, berühmten Sätze welche werden zu lassen, das erreicht Dammeyer durch die perfektionistische Kombination von Gesichtsausdruck, unerwarteter Modulation und Formulierungseleganz in den fallen gelassenen Bemerkungen in etwa 25 Minuten. Inhalte bekommen hier einen Rhythmus, die Worte wachsen, und so sagt Rosas und Hellblau auf überwältigende Art: Dramaturgie hört erst da auf und die Unwichtigkeit beginnt erst dort, wo es keine Menschen mehr gibt. Von den Macherinnen des Mützengünther sowie Rosas und Hellblau ist in Zukunft viel zu erwarten.

Kristof Schreuf

Heute abend, 22 Uhr, Golden Pudels Club