Frauen und Alte an die Macht?

■ Aleksandar Tismas pessimistische Weltsicht im Vortrag

Aleksandar Tisma ist kein Mann für Aufmunterungen. Sein Vortrag im Rahmen der Reihe Angesichts des Jahrhunderts – Reden über Gewalt und Destruktivität war eher dazu angetan, resigniert ins Polster zu Bohren als gestärkt von einigen optimistischen Thesen den Hoffnungsmotor wieder anzuwerfen. Tisma, der – zieht man die dezente Lakonie seiner Beispiele aus der Fauna ab – den Mensch noch immer mehr den tierischen Instinkten als der göttlichen Vernunft verpflichtet sieht, hatte bei vielen der wenigen Besucher sicherlich die Erwartung geweckt, hier etwas Hintergründiges über die Ursachen des Balkankrieges und die Möglichkeiten seiner Beendigung zu hören. Doch statt dessen entwickelte der Autor von Der Gebrauch des Menschen schlüssige Allgemeinplätze über das Entstehen von Gewalt, Herrschaftswahn und Lust an Unterdrückung, ohne den Glauben zu äußern, der Krieg Mensch gegen Mensch könne je ein Ende finden.

So sprach Tisma über die Amputation der Ursachen und die Setzung neuer „Anfänge“ von Geschichte im Bewußtsein von Völkern, die es jeder Nation oder Gruppe erlauben, Rechtfertigungen zur Unterdrückung „der Anderen“ zu finden. Eine Tendenz, die er von der Unterdrückung römischer Sklavenaufstände über die Abschlachtung der Armenier durch die Türken bis zum Holocaust verfolgte. In diesem Zusammenhang sprach er von der „Erregung der Allmacht“, die dem Opfer keinerlei Wahl ließe, ob es sich nun unterwirft oder Widerstand leistet, weil beides gleichermaßen zu seinem Untergang führen kann. Sein Resümee: Hoffen auf Gerechtigkeit ist ein unberechtigter Glaube, darum hilft nur, die Präsenz des Krieges in der immerwährenden bewaffneten Verteidigungsbereitschaft zu antizipieren.

Schließlich fand Tisma dann doch noch einen Ort des Hoffens: die Frauen und die Alten. Sie hätten Habgier und Blutdurst nicht (oder nicht mehr) programmiert und könnten allein die Spirale von Krieg und neuem Krieg, um die Schulden des alten Krieges zu bezahlen, unterbrechen. Doch wie das funktioniert, wenn das Recht des Stärkeren das Grundgesetz der Menschheit ist, blieb Aleksandar Tisma schuldig. Till Briegleb

Lesung mit A. Tisma: Talmud-Thora-Schule, heute, 19.30 Uhr