Pazifismusdebatte megaout

■ Bosniendiskussion im Kito: Der alte Streit um Intervention wird nicht mehr geführt / Zarte Friedenshoffnungen: „Der Krieg ist verloren“ – für Serbien

“Der Krieg ist verloren.“ Solche Sätze bei einer Debatte über den Balkankrieg bezogen sich in den letzten Jahren immer auf die bosnische Seite. Angesichts der drückenden Überlegenheit der serbischen Truppen und angesichts der zeitweiligen Kämpfe Kroatiens gegen das geschundene Bosnien gab es allen Grund für diese resignative Feststellung. Das war am Montag abend im Kito ganz anders. „Der Krieg ist verloren“, diesen Satz hat der General der bosnischen Serben Mladic im Parlament in Pale gesagt, berichtete Ivan Ivanji, 20 Jahre lang Übersetzer und Diplomat unter Tito. Serbien habe seine schützende Hand von den bosnischen Serben unter Karadzic genommen, Karadzic kämpfe ums politische Überleben. Und zum ersten Mal in fast vier Jahren Krieg keimte so etwas wie Hoffnung auf Frieden auf.

Das Kito hatte gemeinsam mit Radio Bremen 2 zu einer „Bosniendebatte“ geladen, das Kito in Vegesack war gut besucht, wie immer, wenn das Thema in den letzten Jahren auf der Tagesordnung stand. Und doch war alles ganz anders, und das lag nicht allein an der merkwürdigen Diskrepanz zwischen der realen Zuspitzung der Kämpfe auf dem Balkan und den zarten Friedenshoffnungen. Während sich in den letzten Jahren noch in schöner Regelmäßigkeit PazifistInnen auf der einen und BefürworterInnen einer militärischen Intervention oder einer Aufbehung des Waffenembargos gegen Bosnien auf der anderen Seite in die Wolle bekommen haben, spielte dieser Streit am Montag fast gar keine Rolle mehr. Die Positionen scheinen ausgetauscht, die Trennungslinien klar. Diese Debatte scheint an einen Endpunkt gekommen zu sein. Ohnehin war auch das Podium nicht auf diesen Streit ausgelegt: Marieluise Beck, grüne Bundestagsabgeordnete und Bosnien-Aktivistin, ist zwar als Interventions-Befürworterin bekannt, das eint sie allerdings eher mit der Frankfurter Publizistin Dunja Melcic. Und mit Ivan Ivanji konnte es darüber auch kaum Streit geben. Der stellte ganz nüchtern fest, daß die einzige Intervention mit Chance eine mit Kampfhubschraubern und massivem Truppeneinsatz sei, und die käme sowieso nicht, weil keiner der beteiligten Staaten sie wolle.

Dafür ging es umso mehr um die Hintergründe des Konfliktes – und eben um die Perspektiven der Entwicklung. Schließlich hatten die bosnischen Serben gerade die Blauhelme gleich in Kompaniestärke als Geiseln genommen. Wie die UNO aus diesem brennenden Problem herauskommen könnte, dafür hatten die drei auf dem Podium auch keine Antwort parat. Aber dafür strahlten sie einen ungebrochenen Optimismus aus, daß die Feinde von heute morgen wieder zusammenleben könnten, vor allem Marieluise Beck und Dunja Melcic. Ob denn die Erfahrungen auf dem Balkan nicht auch zeigten, daß eine multikulturelle Gesellschaft zum Scheitern verurteilt sei, wollte Radiomoderator Gerald Sammet wissen. Mitnichten, konterten die beiden Frauen. „Wo keine Aggression ist, da leben die Leute immer noch friedlich zusammen“, sagte Dunja Melcic. „Bosnien-Herzegowina, das war doch de facto die Schweiz.“ Und Marieluise Beck: Eine der Erfahrungen sei doch gerade, daß die Menschen in Bosnien gemeinsam bleiben wollten. Die ethnische Frage sei unter anderem von den Vermittlern Vance und Owen von außen nach Bosnien hereingetragen worden. Multikulturalität sei die Basis der bosnischen Gesellschaft gewesen, wo die aufgegeben worden sei, habe sich die Krise verschärft und Nationalismen seien gestärkt worden.

Warum dann das Bestehen auf der Anerkennung Bosnien-Herzegowinas als eigenständigem Staat? Wieso braucht man Grenzen? Um die Menschen zu schützen, auch das sei eine Lehre aus dem Balkankrieg, sagte die Grüne. Ivan Ivanji war das nicht geheuer. „Ich bin ein Jugo-Nostalgiker“, bekannte er. Und er hielt den ganzen Abend über immer wieder die jugoslawische Idee, die gerade so grausam untergegangen war, hoch. Seine Vision: Ein Balkanbund von Ungarn bis nach Makedonien. „Das könnte die EU doch befördern.“ Wenn der Krieg vorbei ist. J.G.