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Hafenpiraten kapern den Senat

■ Hafenressort verlängert gegen Senatsbeschluß Pachtvertrag für Holzfirma im Hohentorshafen

Gestern war Stimmung im Senat, und zwar schlechte. Der Grund: Das Hafenressort unter Uwe Beckmeyer hat einen Pachtvertrag mit einer großen Holzfirma am Hohentorshafen verlängert – gegen sämtliche Senatsbeschlüsse, gegen das eigene Hafenstrukturkonzept, gegen die ausdrückliche Bitte um Beteiligung anderer betroffener Ressorts, und letztlich gegen die Verfassung. Ein Vorgang genau der Sorte, die Umweltsenator Ralf Fücks in der Piepmatz-Affäre das politische Genick gebrochen hat. Und einer, der mindestens so schwer zurückgeholt werden kann wie die Vogelschutzgebiete aus Brüssel. Der Senat mußte gestern resigniert feststellen: Der Vertrag ist unterschrieben und damit gültig, basta.

Eine lange Vorgeschichte: Schon im Ampel-Koalitionsvertrag hatten die Koalitionäre den Hafensenator beauftragt, ein Hafenstrukturkonzept zu erarbeiten. Ein Aspekt dabei: Viele der alten Hafenreviere waren nur noch spottbilliges Gewerbegebiet, Umschlag fand dort kaum noch statt. Damit sollte nun endlich Schluß gemacht werden. Schließlich könnten die Flächen auch ganz anders genutzt werden.

Doch dieser schöne Plan stellte sich zunehmend als schwierig heraus. Mehrfach mußte Beckmeyer zum Nachbessern seiner Vorlagen wieder abziehen, zum letzten Mal im Januar letzten Jahres. Da hatten ihm seine SenatskollegInnen unter vielen anderen Punkten aufgegeben: „Herausnahme des Hohentorshafens aus der Hafennutzung.“ Der Hohentorshafen sollte nämlich perspektivisch zugeschüttet werden, ein innenstadtnahes Entwicklungsgebiet. Im April letzten Jahres schließlich verabschiedete der Senat das neue Hafenstrukturkonzept – mit dem entsprechenden Passus über den Hohentorshafen. Doch damit war die Geschichte des Hafenbeckens noch längst nicht besiegelt. Dafür sorgte – ausgerechnet – der Hafensenator.

Kein halbes Jahr war der Senatsbeschluß alt, da tauchte der Hafenstaatsrat Gerd Marcus zum erstenmal mit einer neuen Idee auf, in der Staatsräterunde, die die Senatsberatungen vorbereitet: Die Verlängerung eines Pachtvertrages mit dem Holz-Großhändler Finke&Bünemann. Der sitzt am Hohentorshafen, inklusive Kajenbenutzung. Klar, daß die Staatsräte die Frage noch nicht mal bis in den Senat vordringen ließen.

Idee versenkt im Hafenbecken, hätte man denken können. Doch das Hafenressort gab keineswegs auf. Noch einmal machte Marcus einen Anlauf, noch einmal lief er auf. Wobei die Firma das Theater gar nicht nötig gehabt hätte – es gab schon eine Fläche am Holzhafen, auf die sie hätte umziehen können. Es fehlte nur die Entscheidung des Fachressorts. Kein Wunder: War der Hafen erstmal zugeschüttet, hatte der Hafensenator dort auch nichts mehr zu melden.

Anfang Mai diesen Jahres tauchten dann wieder Gerüchte auf, der Hafensenator wolle nun heimlich, still und leise den umstrittenen Pachtvertrag doch unterzeichnen. Die taz hatte nachgefragt und ein heftiges Dementi geerntet: Da sei gar nichts dran. Trotzdem beschloß der Senat noch einmal ausdrücklich am 8.5.: Bevor vollendete Tatsachen geschaffen würden, sollten die anderen beteiligten Ressorts informiert werden. Nützte nichts, denn am 22. Mai schrieb der Hafensenator einen Brief an seine SenatskollegInnen: Der Vertrag sei in der Woche zuvor beim Notar unterzeichnet worden.

Hohentorshafen perdu, Senatsbeschlüsse zu Makulatur erklärt – entsprechend war die Stimmung gestern im Senat. Der Hafensenator gab sich treuherzig: Sein Staatsrat hebe doch mit dem Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller über den Vertrag geredet. Das wäre doch die gewünschte Vorinformation gewesen. Das wollte Haller nicht auf sich sitzen lassen. Es sei tatsächlich mit ihm gesprochen worden, aber er habe die Idee zurückgewiesen. Dann focht das Umweltressort dafür, der Firma müsse mitgeteilt werden, daß die bereits vollzogene Unterzeichnung unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Senats stünde – die stehe schließlich in der Verfassung. Doch wer macht sich schon gerne vor einer Firma lächerlich? Im Senat machte sich die Auffassung breit, daß der Vertrag so oder so nicht mehr rückholbar sei. Nun wurde das Hafenressort lediglich dazu verdonnert, bis zum 13. Juni eine ordentliche Vorlage in den Senat zu bringen – allerdings für etwas, was de facto und im Handstreich längst entschieden ist. Als die taz gestern um eine Stellungnahme des Hafensenators bat, da gab es vorsichtshalber keinen Rückruf. Jochen Grabler

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