piwik no script img

Da sind doch wichtige Leute drin!

■ Früher einmal war der PEN-Club West ein überaus renommierter Verein. Heute sprechen selbst Mitglieder von Niedergang. Ist die Presse etwa schuld?

Von Thomas Mann ist der Satz überliefert, daß sich „Augenbrauen achtungsvoll in die Höhe ziehen“, sobald vom Tischnachbarn bekannt wird, der sei im PEN.

Wer dem Tischnachbarn heute mit zartem Hinweis auf seine PEN- Mitgliedschaft über seine Wichtigkeit auf die Sprünge helfen will, wird wohl eher einen mitleidigen Blick ernten. Wie ruiniert der Ruf des westdeutschen PEN in Wirklichkeit ist, zeigt das seltsame Leseerlebnis, das sich beim Blättern im offiziellen „Autorenlexikon“ einstellt. Verwunderlich ist im Lande der Vereinsmeier ja nicht eigentlich, daß da eine Reihe von Personen zu finden ist, die wohl kaum die von Paragraph 4b der Satzung geforderte Bedingung erfüllen – „die Veröffentlichung gewichtiger Literaturwerke in deutscher Sprache“. Dazu darf man wohl, bei aller Sympathie, den Fernsehmoderator Ulrich Wickert ebenso rechnen wie Egon Bahr. Auch daß mancher der wirklich Großen – Enzensberger etwa – nicht mittut, ist nicht der Punkt.

Nein, man staunt angesichts der Publicity dieses Vereins in den letzten Jahren vielmehr darüber, daß sich unter den etwa 500 notierten Mitgliedern noch so viele finden, die etwas zu sagen haben.

Besser gesagt: zu sagen hätten. Denn sie tun's ja nicht, jedenfalls scheinen viele derjenigen, die man gerne als Aktivisten eines deutschen PEN sähe – um nur einige zu nennen: alte Helden des bundesdeutschen Kulturbetriebs wie Alexander Kluge und Klaus Wagenbach, aber auch jüngere Autoren wie Bodo Morshäuser, Hanns- Josef Ortheil und Klaus Modick –, keinen Drang zu verspüren, sich als solche zu präsentieren.

Von der taz nach dem Eindruck vom Niedergang des westdeutschen PEN befragt, verwies F.C. Delius, selbst jahrelang Mitglied des PEN-Beirats, auf die einseitige Berichterstattung. Es werde nur über die Mißgeschicke des Clubs berichtet. Aber dann nennt er selbst die drei Affären, die den PEN in den letzten Jahren ins Gerede gebracht haben: Vor allem ist da der endlose Streit um die Vereinigung von Ost- und West-PEN, in dem immer nur taktiert wurde, statt den moralischen Streitwert der Angelegenheit offenzulegen. Das blieb einigen Dissidenten vorbehalten, die nicht gerne mit ihren ehemaligen Zensoren zusammenhocken mochten.

Als 1993 der Internationale PEN-Kongreß in Dubrovnik (Kroatien) stattfinden sollte, mithin in einem Land, in dem von Meinungsfreiheit im Sinne der Charta der Organisation nicht die Rede sein kann, blieb die deutsche Delegation wie viele andere der Veranstaltung fern. Was das deutsche Fernbleiben zu einem besonders peinlichen Fall machte, war der mangelnde Sinn für den Geist des Ortes. Sechzig Jahre zuvor hatte beim XI. Internationalen PEN-Kongreß am gleichen Ort der ins Exil getriebene Ernst Toller eine flammende Rede gehalten, in der die Tatenlosigkeit des PEN angesichts der Verfolgung der deutschen Künstler und Intellektuellen durch die Nazis angeklagt wurde. Diese legendäre Rede, die zur Abreise des deutschen Nazi-PEN führte, war gewissermaßen der Gründungsakt des deutschen Exil- PEN, dem neben Toller Autoren wie Lion Feuchtwanger und Heinrich Mann angehörten.

Diese Organisation besteht, mit Sitz in London, immer noch. Der Umgang mit dem Exil-PEN ist der dritte schwarze Fleck auf der jüngeren Geschichte des West-Clubs. Zu einer Gedenkveranstaltung anläßlich des Jahrestages der Bücherverbrennung waren ausgerechnet die Vertreter des Exil-PEN nicht offiziell eingeladen worden. Es bedurfte peinlicher öffentlicher Briefwechsel, bis sich der damalige Präsident Heidenreich zu den Anwürfen der zu Recht pikierten Kollegen äußerte. Auch hier spielte die Vereinigungspolitik eine Rolle, denn zu den Treffen mit dem Ost- PEN, die die Bildung eines einzigen Clubs vorbereiten sollten, waren die Exil-Schriftsteller ebenfalls nicht eingeladen worden, als hätte man sie ein weiteres Mal exilieren wollen. Jörg Lau

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen