Fasern auf der Spur

■ Gutachterauskünfte am 17. Verhandlungstag im Mordprozeß gegen Mohamad Ataie und Peter S. brachten wenig Aufschluß

„Heute ist ein Lichtblick. Darum habe ich mich auch hell angezogen, mein Leben soll nicht weiter dunkel bleiben.“ Frau Heimann versprach sich viel vom gestrigen Prozeßtag, an dem, wie sie hoffte, ein Gutachten deutlich machen würde, welcher der beiden wegen gemeinchaftlichen Mordes Angeklagten ihre Tochter Eleonore F. im Juni des vergangenen Jahres umgebracht hat. Nach Meinung der Nebenklägerin Heimann kann es nur Mohamad Ataie gewesen sein, „der Peter S. ist dafür zu sensibel“.

Doch das Gericht ist auch nach dem 17. Verhandlungstag auf das Sammeln von Indizien angewiesen. Die Angeklagten hüllen sich weiterhin in Schweigen, aus gutem Grund: Direkt nach der Festnahme hatte Peter S. gegenüber der Polizei erklärt, die Tat gemeinsam mit seinem Bekannten Ataie geplant und ihn mit dem Mord beauftragt zu haben, den dieser schließlich auch ausgeführt habe. Doch kurz darauf widerrief Peter S. sein Geständnis und behauptete, die Tat allein begangen zu haben. Ataie sei lediglich zugegen gewesen. Eine Version, die Peter S. eine geringere Strafe bescheren würde: Er müßte nicht mehr mit einer lebenslänglichen Haftstrafe für Anstiftung zum Mord rechnen. Sein Anwalt würde stattdessen auf Totschlag im Affekt plädieren, und das bedeutet maximal fünf Jahre Haft. Ataie, der 1991 seine damalige Ehefrau mit 25 Messerstichen getötet hatte und wegen Totschlags zu knapp fünf Jahren verurteilt, aber bereits im März 1994 entlassen worden war, käme in diesem Fall womöglich ganz frei.

Die Anklage geht jedoch vom ersten Geständnis des Peter S. aus. Mehrere Gutachten sollten Licht ins Dunkel der Täterschaft bringen. Das Ergebnis einer Analyse, die den Schmutz unter den Schuhen von Ataie mit dem Boden des Tatortes verglich, brachte nichts juristisch Verwertbares. Zwar stimmten die Stoffe überein, der Gutachter aber stellte dasselbe Material an mehreren Orten in Bremen fest. Gestern nun begann Gutachter Peter Kurt Schmidt, die Ergebnisse einer Untersuchung vorzutragen, bei der die an Händen und Regenjacke der erstochenen Frau entdeckten Baumwollfasern mit denen eines blauen Pullovers verglichen wurde, welchen die Polizei in der Wohnung Ataies gefunden hatte.

Während Schmidt einige Stunden brauchte, um den Prozeßbeteiligten die Methodik der Analyse zu erklären, wurde er mehrfach durch die Anwälte der Beklagten unterbrochen und verunsichert. Warum er nur Ataies blauen Pullover und nicht den des Opfers untersucht habe, fragte etwa ein Anwalt. Empört erklärt Frau Heimann in einer Verhandlungspause, ihre Tochter habe zuletzt einen roten Pullover getragen. Geduldig hatte sie angehört, daß man von ihrer toten Tochter gesprochen hatte wie von einem Untersuchungsgegenstand, hatte sich über Diagramme gebeugt und versucht nachzuvollziehen, worüber da gestritten wurde. „Ich verstehe das nicht,“ sagte sie schließlich draußen, „das Ergebnis der Untersuchung sagt doch klar aus, daß Ataie der Täter war.“

Doch das, was sie am Morgen bewogen hatte, von einem „Lichtblick“ zu sprechen, vernebelte zusehends im Disput zwischen Wissenschaftler und Anwälten. Zwar scheint nach den ersten Ausführungen des Gutachters, der am kommenden Mittwoch fortfahren wird, klar, daß die Baumwollfasern, die man beim Opfer gefunden hatte, von einem Pullover stammen, wie ihn Ataie besitzt. Die lichtmikroskopische Untersuchung läßt kaum Zweifel, „daß der Pullover Ataies als Spurenleger in Frage kommt“, erklärte Schmidt. Ob es allerdings nur dieser blaue Pullover sein kann, bleibt fraglich. Eine zweite Untersuchung, deren Ergebnis gestern noch nicht ausgewertet wurde, könnte mehr Aufschluß über diese Frage geben. Nach Angaben von Schmidt besitzt jedes Kleidungsstück einen kaum verwechselbaren Fingerprint. Ob das Gericht diesen als Indizienbeweis anerkennt, bleibt abzuwarten.

Fast auf den Tag genau ein Jahr nachdem ihre Tochter umgebracht wurde, steht Frau Heimann verzweifelt auf dem Gerichtsflur. In Anspielung auf die Schüsse am Montag im Landgericht sagt sie: „Ich kann verstehen, warum die Mutter und der junge Mann das gemacht haben. Aber ich würde es nicht tun. Das wäre zu einfach.“

dah