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Opernarien satt

■ Mit rund 100 digitalen Pay-Radioprogrammen will "Astra" dem öffentlich-rechtlichen Projekt DAB Konkurrenz machen

Das Digitale Satellitenradio (DSR), auf der Funkausstellung 1989 als „die“ Neuigkeit vorgestellt, ist geflopt. Anfang des Jahres verkaufte die Telekom ihren wenig erfolgreichen Satelliten TV- Sat, über den die 16 Programme abgestrahlt wurden, und die bisherigen paar tausend Interessenten mußten ihre Schüssel auf den Nachbarsatelliten „Kopernikus“ einpeilen. Einer der Gründe für die finanzielle Pleite: Bei den abgestrahlten Programmen handelte es sich hauptsächlich um die hochkulturellen Minderheiten-Wellen der ARD-Anstalten mit Literatur und klassischer Musik.

Ein neues Spiel, ein neues Glück – jetzt allerdings für die Konkurrenz. Der erfolgreichere Satellitenbetreiber SES aus Luxemburg will seine „Astra“-Satelliten nicht nur für TV-Konsumenten, sondern auch für Radiohörer attraktiv machen. Schon jetzt werden über die Familie der „Astra“- Satelliten zahlreiche Radioprogramme in sogenannten Tonunterträgern der Fernsehbilder mitübertragen – allerdings nur in der schlechteren analogen Qualität.

Für jeden Geschmack einen eigenen Sender

So ist etwa der Deutschlandfunk im „Tonunterträger“ von 3sat zu empfangen. Einige regionale Radioprogramme verschiedener ARD-Anstalten lassen sich so bundesweit per Satellitenschüssel abhören. Der Mitteldeutsche Rundfunk strahlt seine Jugendwelle „MDR-Sputnik“, den Nachfolger des DDR-Jugendradios „DT 64“, sogar nur über Satelliten aus.

Jetzt kommt zu den analogen Programmen das „Astra Digital Radio“ (ADR) hinzu. Mit ihm sollen zahlreiche neue Radioprogramme endlich auch in digitaler Qualität via „Astra“ an die Satelliten- und Kabelhaushalte abgestrahlt werden. „Rein theoretisch kann man auf einem Fernsehkanal zwölf ADR-Stereokanäle übertragen und zwölf mal 64, das sind etwas über 700 Radioprogramme“, so Reinhold Zanoth, Produktmanager bei der „Astra“-Mutter SES. Doch nicht alle Kanäle werden genutzt, denn viele werden noch gebraucht für die Tonunterträger der TV-Programme.

Die „Astra“-Betreiber wollen nicht nur schon existierende Rundfunkprogramme übernehmen und in CD-ähnlicher Tonqualität anbieten, sondern ihr System durch neuartige Dienste attraktiv machen. Einer der Knüller: ein Pay- Radio, das ansonsten bisher erst in zwei bayerischen Kabelnetzen zu hören ist. „Es wird ein Programmpaket geben. Das bezahlt man und kann dann unter 60, 80, 100 oder sogar mehr Programmen auswählen“, meint SES-Marketing-Mann Zanoth.

Der Pay-Radio-Anbieter „DMX“ erprobt seit einiger Zeit auf insgesamt elf Kanälen die Übertragung seiner Programme an die Satellitenhaushalte. Pay-Radio, das ist 24 Stunden rund um die Uhr Musik, streng formatiert nach Stilrichtungen pro Kanal – einer für Volksmusik, ein weiterer für Hitparaden-Rock, jeweils andere für Oldies, Alternativ-Rock, Barockmusik oder Opernarien – alles ohne Werbung und ohne Discjockeys. Dafür müssen die Abonnenten zwischen 20 und 30 Mark im Monat zahlen.

Technisch ähnelt ADR dem digitalen Radiosystem der Öffentlich-Rechtlichen, dem Digital Audio Broadcasting (DAB), das ebenfalls im Laufe dieses Jahres in ersten Pilotprojekten europaweit eingeführt werden soll. Kein Wunder, denn den Anstoß für das private ADR haben ausgerechnet die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gegeben. Sie haben bei der SES nachgefragt, ob man ihr DAB nicht auch via „Astra“ digital abstrahlen könne. So wollte man die Sendemasten kostengünstiger als durch die Telekom mit Signalen für die Weiterverbreitung versorgen und die eingeplanten Leitungsgebühren um immerhin zehn Prozent senken. Allein der Bayerische Rundfunk rechnet mit zwei Millionen Mark an Kosteneinsparung für die Signalzuführung zu seinen Sendemasten. Das brachte offenbar den Satellitenbetreiber SES selbst auf den Geschmack: Er schickt nun sein eigenes ADR gegen das öffentlich-rechtliche DAB ins Rennen um die Gunst der Hörer. Frank Müller-Römer, ehemaliger technischer Direktor des Bayerischen Rundfunks und Vorsitzender der „Deutschen DAB-Plattform“, sieht jedoch keine Konkurrenz: „Maximal fünf bis acht Prozent aller Hörfunknutzer holen sich ihr Radioprogramm vom Satelliten. Und wenn Sie im Auto sitzen, dann können Sie über Satellit kein Radio empfangen. Da werden Sie auf DAB umschwenken müssen. Letztlich ergänzen beide Systeme einander.“

Geräte kommen zur Funkausstellung

Einige Anstalten strahlen schon seit geraumer Zeit ihre Radioprogramme über „Astra“ aus, obwohl bislang noch keine Empfangsgeräte erhältlich sind (BR, WDR und MDR). Erste Receiver dafür wurden zwar als Prototypen schon auf der Hannoveraner Computermesse Cebit vorgestellt; in den Handel kommen sie aber erst zur Funkausstellung im August. Die cleveren „Astra“-Manager haben ihrerseits mit der Geräteindustrie vereinbart, daß die Receiver schon gleich zu Anfang etwa in der Preislage eines Satellitenfernsehempfängers – also um die 500 Mark – verkauft werden. Damit werden sie weitaus billiger sein als die DAB-Geräte, die voraussichtlich erst ab 1997 in den freien Handel kommen sollen und für die dann noch Preise jenseits der 1000 Mark-Grenze erwartet werden.

Ob ADR jedoch auch langfristig eine Konkurrenz für DAB bleibt, ist noch offen, denn digital ist nicht gleich digital. Über die „Astra“-Satelliten der kommenden Generation, den digitalen „Astra 1 E“ und „Astra 1 F“ funktioniert das ADR-System nämlich nicht mehr. ADR ist also an die Lebensdauer der bisherigen „Astra“- Satelliten gebunden, und das sind voraussichtlich noch etwa zehn Jahre. Jürgen Bischoff

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