Neue Tatversion im Solingen-Prozeß

■ In einer eidesstattlichen Erklärung beschuldigen Türken aus Berlin einen Landsmann des Brandanschlags

Düsseldorf (dpa/taz) – Eine dubiose eidesstattliche Erklärung hat gestern im Solinger Mordprozeß für Aufregung gesorgt. In dem von einer Berliner Notarin per Fax an das Düsseldorfer Oberlandesgericht übersandten Erklärung beschuldigen mehrere Türken einen Landsmann, das Haus der Familie Genç in Brand gesetzt zu haben. Der in Berlin lebende Geschäftsmann Samek A. habe die Tat begangen, weil ein Mitglied der Familie Genç seine Ehefrau 1991 vergewaltigt habe. Der Erklärung zufolge soll die Familie Genç bei dem Geschäftsmann darüber hinaus mit 25.000 Mark verschuldet gewesen sein. Obgleich außer diesem Fax dem Gericht gestern mittag nichts weiter bekannt war, sprach der Vorsitzende Richter Wolfgang Steffen in einer spontanen Reaktion von einer „Bombe, die hier einschlägt“. In dem Fax ist davon die Rede, der türkische Geschäftsmann sei am Tag vor der Tat von Berlin nach Solingen gefahren, habe sich dort Bezin gekauft und dann das Haus in Brand gesetzt. Nach seiner Rückkehr in Berlin habe er seiner Frau mitgeteilt: „Die Familienehre ist wiederhergestellt.“

Noch kurz vor der Verlesung des Faxes hatte sich der Angeklagte Christian R. erneut als Alleintäter bezeichnet. Nach den Worten des Anwalts der Familie Genç, Rainer Brüssow, ist der in dem Fax genannte Name der Familie Genç überhaupt nicht bekannt. Ein weiterer Anwalt der Familie wertete die Erklärung als Versuch „irgendwelcher Rechtsradikaler, in das Verfahren einzugreifen und kurz vor dessen Ende Verwirrung zu stiften“. Im Gericht stellte sich nach einiger Zeit heraus, daß der notarielle Beglaubigungsvermerk auf dem Fax mehr als ein Jahr zurückliegt. Warum es das Gericht erst jetzt erreichte, blieb unklar. Walter Jakobs