Bosnische Serben bieten Verhandlungen an

■ Rühe erwägt, Bundeswehrsoldaten auch zum Schutz einer „Umgruppierung“ der UN-Soldaten in Bosnien bereitzustellen / Vermittler Lord Owen hört Ende Juni auf

Bonn/London/Sarajevo (AFP/ dpa) – Im Konflikt um die von den bosnischen Serben als Geiseln festgehaltenen UN-Blauhelmsoldaten hat sich gestern eine erste Entspannung abgezeichnet. Der bosnisch- serbische „Informationsminister“, Miro Toholj, sagte, man sei zu „sofortigen diplomatischen Verhandlungen“ mit der Kontaktgruppe über das Schicksal der UN-Geiseln bereit. „Wir sind bereit, über die Freilassung [...] gegen eine Nichtangriffsgarantie (von UN und Nato) zu verhandeln“, zitierte ihn das bosnisch-serbische Fernsehen. Die Zahl der festgehaltenen UN- Soldaten und Militärbeobachter wurde von der UN-Führung offiziell mit 296 angegeben.

An Bord des US-Landungsschiffes „Kearsage“ in der Adria berieten hohe Militärs aus mehreren Nato-Staaten über das weitere Vorgehen im Bosnien-Konflikt. Über Ergebnisse wurde zunächst nichts bekannt. Die von Großbritannien entsandte Verstärkung für das britische Blauhelm-Kontingent in Bosnien sorgte gestern für Mißstimmung zwischen Sarajevo und London. Bosniens Präsident Alija Izetbegović forderte eine offizielle Erklärung über „Aufgabe und Zusammensetzung“ der bis zu 6.000 Mann starken zusätzlichen Truppen. Der britische Premierminister John Major machte gestern zu Beginn einer Sondersitzung des Unterhauses deutlich, daß seine Regierung nicht den Abzug der britischen UN-Truppen plant.

Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) hat gestern die Bereitschaft angedeutet, die Bundeswehr auch zum Schutz einer Umgruppierung der UN-Truppen in Bosnien zur Verfügung zu stellen. Seiner Meinung nach müsse sich Deutschland solidarisch zeigen, wenn wichtige Verbündete wie Frankreich und Großbritannien versuchten, „durch neue Maßnahmen ein Verbleiben der Blauhelme in Bosnien zu ermöglichen“.

Bisher hat Deutschland der Nato fast 2.000 Soldaten zum Schutz eines möglichen Abzuges der UN-Soldaten aus Bosnien angeboten. Von einem Einsatz deutscher Soldaten bei einer Aktion zur Konzentration der UN-Truppen in sicheren Gebieten Bosniens war bislang nicht die Rede.

Rühe rechnet damit, daß Franzosen und Briten schon in Kürze um deutsche Unterstützung bei der Umgruppierung bitten werden. Die Bundeswehr wird sich nach den Worten Rühes aber nicht an einer Befreiung der festgesetzten UN-Soldaten beteiligen.

Frankreichs Premierminister Alain Juppé gab gestern in Paris den bevorstehenden Rücktritt des Co-Präsidenten der internationalen Jugoslawien-Konferenz, Lord Owen, bekannt. Owen will Ende Juni aufhören.Seite 8