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Durchs DröhnlandEinst nannte er einen Irokesenschnitt sein eigen

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Um von vornherein alle möglichen Mißverständnisse auszuschalten: Gas Huffer kommen zwar aus Seattle, aber die Antwort ist „nein“. Gas Huffer spielen einen einfallsreichen Punkrock, der mit Rockabilly kokettiert. Zwar schätzen sie fröhliche Geschwindigkeiten und können auch hin und wieder stumpf sein, aber das wird dann meist durch einen Country-Einfluß aufgehoben, den Sänger Matt Wright durch hübsche, von Hank Williams geklaute Kiekser unterstützt. Sie haben auch Bluesrock im Repertoire und schönen straighten Australo-Rock, aber immer bleiben sie Hardcore und damit für Hardcore ziemlich überraschend.

Heute, 22 Uhr, mit Boon im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Auf eines kann man sich bei Ornament & Verbrechen mit Sicherheit verlassen: daß man sich auf nichts verlassen kann. Mal entsteht aus einer Studiopfriemelei ein satt produziertes Dance- Album, und dann geht wieder der geniale Dilettant mit ihnen durch. So geschah es auch zuletzt auf ihrem Album „Super Deluxe Transistor Radio“, das – man muß das so gemein formulieren – eigentlich völlig unhörbar ist, aber von dem Charme lebt, daß man weiß, daß sie es eigentlich besser können. Und bei Auftritten schlägt dann genau dieser Charme unverschämt durch, überzeugen penetranter Instrumentenwechsel und fortgesetzte Konzeptlosigkeit von schamloser und offensiv genialer Grundeinstellung.

Heute, 23 Uhr, Roter Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte

Die verwegen betitelten „Schweizer Independent Tage“ werden heute fortgesetzt mit Laugh aus der Westschweiz. Leicht waviger Pop mit ätherischer Frauenstimme, der sich sanft dahinverflüchtigt. Morgen geht es weiter mit wunderschön melancholischem Rock, der von einem Akkordeon beherrscht wird, von Amarillo Brillo aus Thun. Für den Abschluß sorgen am Sonntag dann Rotz mit bemühtem Hardcore.

Heute bis 4.6., je 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg

Auch im Sauerland weiß man auf deutsch zu texten und flotten Pop dazu zu spielen. Wie die Mickey-Mouse-Version einer Beat- Kapelle stolpern Sturmschäden daher, Sänger Michel knödelt so selbstvergesen, daß Zeilen wie „Zertrümmer mein Herz“ plötzlich gar nicht mehr so bedeutungsschwanger sind. Wunderhübsch dann auch ihre nahezu wörtliche Übersetzung von „After the Goldrush“, die Neil Young in dreifacher Geschwindigkeit aufs Altenteil verweist.

Morgen, 20.30, Marquee, Hauptstraße 30, Schöneberg

Wenn man Gary Floyd so sieht, kann man nicht glauben, daß man in ihm einen der wichtigsten Protagonisten US-amerikanischen Punks und Postpunks vor sich hat. Tatsächlich soll der inzwischen recht unförmige Floyd sogar mal einen Irokesenschnitt sein eigen genannt haben. Als Sänger der Dicks und später von Sister Double Happiness hatte er reichlich Gelegenheit, seine Stimmbänder auszudehnen, so daß sie jetzt schön schlabbrig sind und er jeden noch so tiefen menschlichen Abgrund locker mit ihnen ausloten kann. Dies tut er in letzter Zeit gerne auf Solo-Platten, die sehr herzschmerzschmachtend, aber auch sehr entspannt geraten sind zwischen Blues und Country, hin und wieder auch Spritzer von Cajun nicht verleugnen. Floyd tut eben, was viele vor ihm und viele nach ihm, die den Sturm- und-Drang überstanden haben, gerne tun: sucht nach seinen Wurzeln, findet sie und singt einen davon.

Am 4.6., 21 Uhr, Huxley's Jr., Hasenheide 108–114, Neukölln

Die Songs von Whale handeln nicht selten von Sex, und die Musik des Trios aus Stockholm liefert dazu einen satten, schwülen, leicht humpelnden Background aus solide verzögertem Rock, der sich nicht schämt, sanfte HipHop- Einflüsse und ein bißchen Metal aufzunehmen. Und weil Sängerin Cia Berg bei ihrem Lieblingsthema nicht zurückhaltend ist, wird den selbstbewußten Frauen in der Rockmusik eine neue hinzugefügt.

Am 5.6., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

„Walking on Sunshine“ war ein wunderhübscher Poprock-Song und bekanntermaßen tauglich für die Eiskremwerbung. Seitdem versuchen Katrina & The Waves das Stückchen immer wieder neu zu verpacken, was sich mehr als zehn Jahre nun schon partout nicht in Smashhits äußern will. Auch die eigentliche Attraktion des Abends hat schon bessere Zeiten gesehen: Fleetwood Mac haben mal ein bahnbrechendes Album gemacht, als unsereiner noch die Windeln benetzte, und bauten seitdem mit mediokrem Erfolg ganz auf die wedelnden Röcke von Stevie Nicks.

Am 5.6., 19.30 Uhr, Tempodrom, In den Zelten, Tiergarten

MTV ist schlimm, aber wenn man drauf verzichten muß, weil man kein Kabel hat, merkt man erst, wie beschissen – musiktechnisch gesehen – erst mal der Rest des TV-Programms ist. Da konnte man sich jahrelang schon freuen, wenn öffentlich-rechtlich immerhin die Hooters ab und an auftauchten und mal wieder „Satellite“ abgedudelt wurde. Denn das war wenigstens warmherzig. Und außerdem mit Melodica, was die Hooters aus dem ganzen Mainstream-Mist über Gebühr hervorstechen ließ, in den sie anschließend widerstandslos wieder versanken.

Am 7.6., 20 Uhr, Tempodrom

Kiffen hat in den letzten Jahren seinen intellektuellen Anspruch zum Teufel geschickt, so ist es denn nicht verwunderlich, daß ausgerechnet eine Band namens Pothead zur „definitiv gottverdammt besten Schweinerockband der Welt“ (Ox) erkoren wird. Genau dieses Versprechen löst das Trio, das zwar zu 2/3 aus Seattlenesen besteht, aber seit Jahren in Berlin ansässig ist, auch ein.

Am 7.6., 21 Uhr, Huxley's Jr.

Einen freundlichen kleinen Folkrock produzierten früher die Jayhawks. Aber seit das Quartett aus Minneapolis zur Industrie wechselte, wird ihr unzweifelhaft vorhandener Charme von einer ausufernden Produktion, die selbst vor uferlosen Geigen nicht zurückschreckt, nahezu niedergeplättet. Was bleibt, sind immer noch sehr gute Songs und die Hoffnung, daß auf der Bühne sich der Rauhreif Bahn bricht.

Am 8.6., 20.30 Uhr, Loft Thomas Winkler

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