Walfleisch für 500 Dollar pro Kilo

Norwegen von der Internationalen Walfangkommission verurteit / Das Land hatte falsche Zahlen über den Bestand an Zwergwalen im Nordatlantik vorgelegt  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Dublin (taz) – Die Internationale Walfangkommission (IWC) hat Norwegen aufgefordert, den Walfang im Atlantik umgehend einzustellen. Eine entsprechende Resolution wurde auf der Jahrestagung in Dublin am Mittwoch abend mit 21 zu sechs Stimmen bei sechs Enthaltungen verabschiedet. Der Wissenschaftsausschuß des IWC ist zu der Einsicht gelangt, daß es im Nordostatlantik keinen Überschuß an Minkwalen gibt.

Vor drei Jahren hieß es noch, daß die Kommission aufgrund von norwegischen Zählungen der Bestände Fangquoten aufstellen könne. Das wäre ein erster Schritt zur vollständigen Aufhebung des Moratoriums gewesen. Inzwischen ist der Ausschuß jedoch davon überzeugt, daß die damaligen Zahlen falsch waren. IWC-Mitglied Justin Cook, ein britischer Mathematiker, hat der norwegischen Regierung einen Rechenfehler unterstellt: Sie sei bei ihrer Zählweise davon ausgegangen, daß man etwa ein Drittel aller Wale zu Gesicht bekäme und hat das Endergebnis daher mit drei multipliziert. Cook behauptet jedoch, daß zwei Drittel der Wale gesichtet worden seien. Die tatsächliche Zahl sei also wesentlich niedriger.

Michael Canny von der irischen Delegation meinte, die norwegische Regierung handelte illegal, als sie eine Fangquote aufstellte. „Als Norwegen 1982 formal Einspruch gegen das Moratorium eingelegt hat“, sagte er, „blieb es an die vorhergehenden Entscheidungen über Walfang gebunden. Mir scheint, daß es keine rechtliche Grundlage dafür gibt, Fangquoten gegen den Rat des Wissenschaftsausschusses aufzustellen.“ Die Regierung in Oslo ist anderer Meinung: Man habe von Anfang an „schwere Bedenken“ gegen die Aktivitäten der Kommission angemeldet, ihre Entscheidungen gingen Norwegen daher nichts an.

Ein Sprecher deutete jedoch an, daß man in Zukunft möglicherweise mit den anderen IWC-Ländern zusammenarbeiten wolle, um zu einer Lösung des Problems zu gelangen. Man sei an einem „Management-Programm für den Walfang“ interessiert, das letztendlich den kommerziellen Walfang unter bestimmten Umständen zulasse. Dessen ungeachtet ist die norwegische Fangsaison voll im Gange. Seit ihrer Eröffnung im vergangenen Monat seien bereits 82 Minkwale – mehr als ein Drittel der von Norwegen festgelegten Quote – getötet worden, gab die norwegische Sektion von Greenpeace bekannt. Greenpeace begrüßte die IWC-Resolution.

Das Deutsche Tierhilfswerk wies gestern auf die Existenz eines Walfleisch-Schmugglerrings hin. Proben haben ergeben, daß in Japan und Korea Fleisch von mindestens neun streng geschützten Walarten im Handel sei. Zwar wurden von japanischen und russischen Behörden bisher 730 Tonnen beschlagnahmt, doch allein in Japan gibt es offenbar noch immer große Bestände an Walfleisch, das mit einem Kilopreis bis zu 500 US-Dollar gehandelt wird. Die Herkunft der Ware sei unbekannt, hieß es in der Presseerklärung des Tierhilfswerks, und die IWC habe noch immer keine wirkungsvollen Maßnahmen gegen den Piratenwalfang ergriffen.