Wo alles blüht und brütet

■ Ein Frühlingsspaziergang durchs Hollerland mit Feuchtraumaktivist Gerold Janssen

Kröten, Libellen, Schlangen und Fische: schon leicht verblaßt weisen die auf den Jan-Reiners-Weg gemalten Tiere den Weg zum ihrem Reservat im Bremer Nordosten: dem Hollerland. Ihren Zweck haben die Tiere auf dem Asphalt erfüllt, ebenso wie die inzwischen mehr als fünfzehn Jahre alten Parolen, die der ehemalige Deichgraf und Umweltaktivist Gerold Janssen seinerzeit zuerst nachts, dann auch am hellichten Tag im Kampf gegen die Betonierung der Marschlandschaft hinterlassen hat.

Heute radelt Janssen voller Stolz durch „sein“ Hollerland; eine Gegend, die ihn so sehr an seine Heimat Ostfriesland erinnert: „Leider haben die sich ihre Landschaft nehmen lassen, haben Flüsse begradigt und einzigartige Sumpflandschaften trockengelegt.“ Vor seiner Haustür findet er einen kleinen Ersatz. Und Janssen präsentiert sich gern als vorzüglicher Kenner der Hollerland-Flora und -Fauna.

Seltene Wiesen- und Watvögel nisten in dem Gebiet: Die Uferschnepfe ist im Moment ebenso zu finden wie Kiebitz und Weihe; in den Fleeten lassen es sich Teichmuschel, Bitterling und auch Spiegelkarpfen gutgehen, und ungezählte Arten von Libellen schwirren über spiegelnden Wassergräben.

Genauso reich ist die Pflanzenwelt des Hollerlandes. Janssen kann dem Hollerlandbesucher Sumpfdotterblumen, Iris und Kuckuckslichtnelken zeigen; die Uferböschungen sind voller Schwertlilien und Uferseggen; Krebsschere, Wasserhahnenfuß und Laichkräuter breiten sich in den Fleeten und Gräben aus.

Glücklich und am Ende zufrieden sei er über das Ergebnis seines jahrelangen Kampfes, den er seit 1978 gegen die „Gewoba“ und den Bremer Bausenator geführt hatte und der vor sechs Jahren mit einem „für alle tragbaren Kompromiß“ entschieden wurde. Nutznießer ist das einzigartige Feuchtgebiet mit einer Fläche von 400 Hektar, Lebensraum für eine Vielzahl von Pflanzen- und Tiergattungen. Zur Zeit steht alles in voller Blüte. Aus dem Kämpfer Janssen ist ein exzellenter Führer durch die weite Marschlandschaft geworden.

Gerold Janssen stoppt an einer Stelle, an der ein Wassergraben den Weg durch das Naturschutzgebiet kreuzt. „Den Wasserstandsmesser habe ich hier einsetzen lassen, weil früher die Landwirte im Winter immer den Wasserstand abgesenkt haben.“ Nur wenige Lebewesen des Feuchtgebietes konnten solche Maßnahmen überleben. „Heute senken wir im Sommer etwas ab, dafür lassen wir den Wasserstand im Winter steigen.“ Jetzt kommt im Winter kein Frosch und keine Teichmuschel mehr jämmerlich ums Leben.

„Dahinten hat Manfred Osthaus mir mal einen Reifen geflickt, als ich dem damaligen Baustaatsrat die Gegend gezeigt habe und einen Platten hatte. Da wußte ich erst gar nicht, ob ich das zulassen sollte, schließlich waren wir ja damals noch Erzfeinde. Inzwischen sind wir die besten Freunde geworden.“ Sogar mit der Polizei hat Janssen, als eine Einigung mit den Behörden in Sicht kam, einigermaßen gekonnt: „Früher haben die mich ja immer angezeigt, wenn ich hier rumgemalt habe. Als die mich einmal beim Bemalen unseres Gedenksteins am Rand des Hollerlandes erwischt hatten, haben sie mich gefragt, ob sie mir auch die Autobahn für die Graffitis zu Verfügung stellen sollten.“ Seiner Beredtsamkeit hat sich damals wohl kaum einer seiner Kontrahenten im Streit um die Nutzung des Gebietes entziehen können. Eine Zeitlang hat er fünfzig Senatoren und Bürgerschaftsabgeordnete einzeln durch das Feuchtgebiet gelotst. Die Bausenatorin, so Janssen, habe sich damals einigermaßen zurückgesetzt gefühlt, weil sie erst als Nummer 47 auf der Liste stand...

Selbst wenn Janssen die Richtung des Neubaugebietes am östlichen Rand des Hollerlandes einschlägt, fällt er nicht vor ohnmächtiger Wut vom Rad: „Das ist der Kompromiß, den wir eingehen mußten, um 400 Hektar Land zu retten.“ An der Umsetzung des 1989 geschlossenen Abkommens zwischen der von ihm initiierten Bürgerinitiative und dem Bausenator findet er nichts auszusetzen. Nur die Architektur der Neubauten sagt ihm nicht zu, aber um alles kann sich Gerold Janssen ja auch nicht kümmern.

Helge Rosenkranz